Dushan-Wegner

22.03.2020

Woraus wirst du trinken?

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild von Carolyn V.
Am 25.1. warnte Kaufmann (AfD) vor Coronavirus, forderte Krisenstab und Einreisekontrollen. Am 4.3. mahnte Weidel im Bundestag. – Staatsfunk und Politik höhnten. – Werden Menschen sterben, nur weil man Merkelkritikern eins auswischen wollte?
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Zu diesem Text gibt es ein begleitendes Video! – Die URL: youtu.be/YyMXFwY0l08

Der thailändische Mönch und Lehrer Ajahn Chah fragte einmal seinen Schüler: »Siehst du diesen Becher? Für mich ist er bereits zerbrochen. Ich freue mich an ihm, ich trinke aus ihm.

»Er hält mein Wasser auf bewundernswerte Art, manchmal spiegelt sich die Sonne darin, auf wunderschöne Weise. Wenn ich an ihn klopfe, hat er einen entzückenden Klang. Doch wenn ich diesen Becher auf das Regal stelle, und der Wind stößt ihn um, oder mein Ellbogen wirft ihn vom Tisch, und er fällt auf den Boden und zerspringt, dann sage ich: ›Natürlich!‹

»Wenn ich verstehe, dass das Glas bereits zerbrochen ist, dann ist jeder Moment wertvoll.«

(Im Video »Ordnung, wir und der zerbrochene Becher« sage ich übrigens mehr zu dieser Geschichte und zu meiner Deutung!)

Roboterhaft, vulgär, unverantwortlich

Am 25. Januar 2020 mahnte der AfD-Politiker Dr. Malte Kaufmann:

56 Mio in #China unter Quarantäne. Jetzt 41 Tote. Und immer noch wird in Flag of Germany kein Krisenstab wg. des #coronavirus eingerichtet,keine Einreisekontrollen. Nichts. Typischer leichtfertiger Umgang mit Gefahren, die von extern kommen. (@MalteKaufmann, 25.1.2020)

Als Reaktion auf seine Mahnung erhielt der Politiker dutzendfach die »Argumente« des Staatsfunks wiederholt, also Leugnungen, Beschwichtigungen und Beschimpfungen. »Wie habt ihr Faschos immer so viel Angst vor allem und jedem? Weinerliches Pack.« schreibt ein Nutzer mit dem Namen »K44|Nazis raus« (archiviert). »Dirk1968« schreibt: »Wenn Sie sich einfach mal informiere. Würden wüssten Sie das es bereits eine Dchnelltest gibt und alle relevanten Stellen zusammenarbeiten. Sie sind echt erbärmlich. Hetzen hetzen und nochmal hetzen mehr können Sie nicht.« (sic, archiviert)

Man könnte die Liste der Beschimpfungen lang fortführen, doch es ist viel Wiederholung dabei. Meist anonyme Accounts wiederholen roboterhaft die Hohlphrasen und Hassfloskeln des Abendprogramms im Staatsfunk (vergleiche auch »Non-Player Characters (NPCs) und das automatisierte politische Denken«).

Am 4. März 2020 mahnte Alice Weidel, ebenfalls AfD, in einer betont nüchternen und ruhigen Bundestags-Rede:

Die Lage ist ernst. Weltweit hat das Coronavirus 76 Länder erfasst und über 3 200 Tote gefordert. 93 000 Infizierte sind aktuell registriert. […] Bis zu 70 Prozent der deutschen Bevölkerung könnten sich anstecken. […] Nach allem, was wir wissen, gehen von dem Virus eine höhere Ansteckungsgefahr und ein größeres Mortalitätsrisiko aus als von der gewöhnlichen Grippe. (Alice Weidel, 4.3.2020, via bundestag.de (PDF) – die ganze Rede ist lesenswert.)

Was war die Reaktion der übrigen Parteien auf die drängenden Worte der ehemaligen AfD-Chefin? Die übrigen Parteien reagierten wie die Twitter-Kommentatoren: roboterhaft, vulgär, unverantwortlich – und mit beinahe greifbarer Verachtung für Leben und Wohlergehen des Volkes.

Britta Haßelman von den Grünen höhnte: »Muss es Ihnen schlecht gehen!« – Claudia Roth machte sich lustig: »Mein Gott!«

»Nötig sind auch Temperaturkontrollen an den Flughäfen, das wird in China gemacht.« – Sabine Dittmar von der SPD wusste zu bewerten: »So ein Schmarrn!«

Nicht nur waren die Reaktionen auf Weidels mahnende Rede vulgär und einer demokratischen Debatte kaum würdig – der politische Merkel-Block höhnte und lärmte (siehe Video zur Rede auf bundestag.de).

Während die etablierten Parteien höhnten und lärmten, machte sich im Gleichschritt der Staatsfunk über die Bürger lustig, die sich vor dem Virus schützen wollten. Ich habe es beispielhaft dokumentiert, etwa in den Essays »Corona-Virus? ›… alle erstmal durchatmen‹!« oder »Der Bully auf unserem Schulhof«.

In ihrer blinden, den Intellekt geradezu folternden Stumpfheit sind die »Kämpfer gegen Rechts« derart eingeschränkt, dass sie eine Pandemie nicht ernst nahmen, während und – so muss man fürchten – weil die verhasste Opposition darauf hinwies.

Der Opposition eins auswischen

Im Essay »Hauptsache dagegen – CDU & Co. vs. AfD« mahne ich:

Wenn die AfD etwas verlangt, das für Deutschland gut ist, werden die anderen Parteien es ablehnen, selbst wenn sie in der Sache zustimmen könnten. […] Die Parteien sind nicht nur bereit, dem deutschen Volk und der Demokratie großen Schaden zuzufügen im Abwehrkampf gegen die Neuen am Pfründe-Trog, sie tun es bereits.

Es ist meine Aufgabe als Essayist, vorauszudenken, zu mahnen und zu warnen, und doch hoffe ich, dass das, was ich voraussah, eben doch nicht ein- und zutrifft. (Ich bin wahrlich nicht wie Jona in der Bibel, der sich beleidigt unter den Rizinusstrauch zurückzieht, als das Volk von Ninive überraschend Buße tut und G-tt die Strafe zurückhält und die Stadt doch nicht zerstört.)

Es macht mich nicht glücklich, dass es nun tatsächlich – ein weiteres Mal – geschehen zu sein scheint, dass Parteien auf klugen Rat nicht hörten, (auch? vor allem?) weil die Partei, die man zu hassen hat, darauf hinwies. Für mich gilt, seit jeher: »Nichts ist wichtiger als das Leben« – gewisse Parteisoldaten scheinen das schmerzhaft anders zu sehen – wieder mal.

Ist Deutschland 2020 wirklich ein Land, in dem Bürger sterben müssen, weil man der Opposition eins auswischen will?

Die Ordnung der Gedanken

In meinem Text »Die letzten Tage des Westens« schrieb ich Anfang 2017:

Etwas Merkwürdiges ist im Westen passiert. Man feiert die Unordnung. Ordnung ist ja anstrengender als Unordnung. In der schreibenden Klasse des Westens wurde es populär, das Unanstrengende vor die Ordnung zu setzen. Wer Disziplinlosigkeit und Konsequenzlosigkeit feiert, wird als Staatsjournalist erfolgreich. Die Sekundärtugend Ordnung wurde verdächtig.

Dieser Becher, der in den Augen des weisen Mönchs bereits zerbrochen ist, ich deute ihn hier und heute als den Westen, als unsere Kultur, unsere Geschichte, unsere Werte. Wir füllten unsere Freude, unsere Hoffnungen in diese Gesellschaftsform, in diese Denkweise. Die Zukunft glitzerte so schön darin! Doch, der Becher steht gefährlich nah an der Kante des Tisches – das ist die Unordnung, die ich meine.

Die Welt kämpft gegen das Corona-Virus. Deutschland hat die Gefahr unverantwortlich lang geleugnet. Deutschland wird hiernach ein anderes Land sein, die Welt eine andere Welt. Kann es uns gelingen, den Becher zurückzustellen? In Deutschland kämpfen Mächte mit viel Geld und wenig Anstand gegen die Ordnung der Gedanken.

In China bauten sie Krankenhäuser im Rekordtempo, während noch der deutsche Staatsfunk über die Gefahr lachte – und die Politik log, dass sie gut vorbereitet sei. Diejenigen, welche heute das Land ordnen wollen, sind doch diejenigen, die seit Jahren die Unordnung predigen! Lässt man den Elefanten die Scherben aufräumen?

Dieser Becher könnte von der Tischkante gestoßen werden. Dann wäre es ratsam, zu wissen, woraus wir danach trinken werden.

Die Mächtigen beim Mächtigsein

Das Zwanzigste Jahrhundert ist jetzt wirklich vorbei. Einiges kann uns gern für immer gestohlen bleiben, von linken Lebenslügen bis zu irgendwelchen idiotischen Ideologien. Eine der Lehren, die wir heute ziehen können: Ordnung ist gut. Ordnung ist doch gut.

Dieser Becher ist bereits zerbrochen, dieser Becher zerbricht vor unseren Augen, auch wenn wir panisch das Wasser darin zu halten versuchen. Aus welchem Becher werden wir morgen trinken? Aus welchem Becher können wir morgen trinken?

Wie lange wird das Land so blöd und so böse sein, guten Rat abzulehnen, weil diejenigen, die es rieten, die Mächtigen beim Mächtigsein stören?

Ich betrachte diesen Becher als schon zerbrochen. Ich versuche, mir die Finger nicht an den Scherben zu schneiden. In diesen Tagen will man nicht zum Arzt laufen müssen. Es ist noch ganz offen, was die Menschen hiernach aufbauen, in, auf und aus den Scherben, es wird aber im Herzen die Erkenntnis tragen: Ordnung ist gut.

Weiterschreiben, Wegner!

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