Dushan-Wegner

08.06.2019

Überall Clowns, niemand lacht

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild von Matthew T Rader
Der eine will nochmal Sozialismus probieren – und wird für SPD-Vorsitz vorgeschlagen. Der andere dreht noch eine Pirouette und fordert das Gegenteil des Bisherigen: »robuste Asylpolitik«. – Man würde sie Clowns nennen, doch sie sind nicht lustig.
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Es gibt ein Lied, das in letzter Zeit immer wieder auftauchte, besonders im Kontext der fiktiven Comic-Figur »Joker«: »I Started a Joke« von den Bee Gees.

Man hörte das Lied von Robbie Williams gesungen und von den Pet Shop Boys, von Anständigen und von Gewöhnlichen, und einmal hörte ich, wie es einer vom Staatsfunk sang, der sich witzig dabei fand, und doch, wie auch sonst, wieder wie ein ganz gewöhnlicher Faschist dabei klang, bejubelt von manchen, die, so steht zu vermuten, früher gern dabei gewesen wären.

Die erste Zeile des Liedes lautet, in meiner Übersetzung, so:

Ich habe einen Scherz losgetreten, welcher die ganze Welt zum Weinen brachte

Ein Scherz, der die ganze Welt zum Weinen bringt – von dieser Einleitung braucht es keine Überleitung, um über die Politik zu reden.

Das Grinsen friert fest

Ein Scherz, der die Deutschen mehr zum Schulterzucken bewegt als zum Lachen oder zum Weinen, ist die SPD. Man vergeigt Wahlen, die Parteichefin ist zurückgetreten, so bekannt, so langweilig, und dann wird es doch noch lustig: Aus der Partei heraus wird vorgeschlagen, der Sozialist Kevin Kühnert möge die Parteiführung übernehmen (welt.de, 7.6.2019; siehe auch »Maximale Aufmerksamkeit bei minimaler Konsequenz – das Kevin-Prinzip«).

Man fragt sich, welcher der gestandenen Sozialdemokraten, die vor Ort noch immer ehrenamtlich für die sozialdemokratische Sache eintreten, die Steuern zahlen und viel geleistet haben, tatsächlich dafür wäre, einen vom Sozialismus schwätzenden abgebrochenen Studenten an ihre Spitze zu setzen, doch so eine Frage wäre zu viel Realismus.

Der Spiegel titelt allen Ernstes »Kommt jetzt Kevin?« (Der Spiegel, 24/2019) und zeigt ein düster-männliches Schwarz-Weiß-Bild des jungen Sozialisten auf dem Cover eines Heftes, das in Kiosken bundesweit und im Ausland ausliegen wird. Ist der Ruf erst relotiussiert, irrlichtert es sich ganz ungeniert.

Wer in Deutschland die Rückkehr ins Dritte Reich (60-80 Millionen Tote inkl. Folgen) vorschlagen würde, der käme (hoffentlich) ins Gefängnis oder in eine andere »geschlossene« Wohnstätte, doch wer den Sozialismus (100 Millionen Tote) nochmal probieren will, der wird für den Vorsitz einer Regierungspartei vorgeschlagen. Es ist ein Witz, und die, die es kümmert, könnten weinen, wie in jenem Lied. (Die, die es nicht betrifft, können ja Scherze machen – manche Meinungsmacher erinnern mich in ihrer Dauer-Ironie tatsächlich ein wenig an den Joker, dem das Gesicht ins ewige Grinsen festfror.)

Die Wellen und Kreise, die das sinkende Schiff SPD im Meer zieht, die Begleitmusik beim Umstellen der Stühle auf dem, was vom Deck noch über Wasser ragt, all dies mag vorübergehend sein und das Ende absehbar, doch es ist auch ein Gradmesser für die gefühlte Temperatur der deutschen Befindlichkeit in 2019.

Rote Drehfreude

Wir erinnern uns gut, als der damalige Irgendwasminister Sigmar Gabriel (SPD) für »#refugeeswelcome« und die »Wir helfen!«-Kampagne mit dem BILD-Logo posierte (@spdde, 30.8.2015/ archiviert).

Nun sind wir es ja gewohnt, dass Sozialdemokraten wendig sind wie betrunkene Schlittschuhläufer (man denke etwa an den Peinlichminister und seine »Position« zur Vorratsdatenspeicherung, siehe etwa heise.de, 27.5.2015), doch in einer selbst für die Roten rabiaten Rotation erklärt der Ex-SPD-Chef, die SPD solle – in meinen Worten – bei der Immigrationspolitik das Gehirn wieder einschalten. – welt.de, 7.6.2019 titelt: »Gabriel fordert von SPD »robuste Asylpolitik« nach dänischem Vorbild«, und auf Twitter sagt Gabriel selbst:

Dänemark zeigt: Nach 30 Jahren Globalisierung und Öffnung der Grenzen geht es jetzt um die Grenzen der Öffnung. (@sigmargabriel, 7.6.2019)

Der damalige FDP-Generalsekretär Christian Lindner, heute FDP-Chef, nannte Sigmar Gabriel einst eine »fleischgewordene Pirouette« (zeit.de, 21.9.2011). Nun, Gabriel mag seitdem an Gewicht verloren haben, nicht aber an Drehfreudigkeit.

Wie gewagt ist die neueste Pirouette des Ex-SPD-Chefs? Martin Sellner, österreichischer Chef der »Identitären Bewegung«, zitiert die »Grenzen der Öffnung« süffisant, und fügt an: »Das Wortspiel klau ich mir.« (@martin_sellner, 8.6.2019) – Gabriel könnte sich damit »trösten«, dass wenn Sawsan »Rolex« Chebli vom Hetzen gegen deutsche Polizisten ablässt (@sawsanchebli, 6.6.2019), nur um dich »verräterisch« zu nennen (@sawsanchebli, 7.6.2019) , du wahrscheinlich in Sache und Moral richtig liegst – doch was nutzt das in der Partei, die Leute wie Chebli, Maas, Stegner oder eben Kühnert nach oben bringt? (Hat Gabriel womöglich innerlich mit der SPD abgeschlossen?)

Randnotiz: 2017 erklärte der CDU-Kevin, der dort Paul Ziemiak heißt, eine Koalition der CDU mit Grünen und FDP als Junior-Partnern, sprich: »Jamaika«, wäre »spannend und würde vieles bringen« (welt.de, 14.9.2017). Mittlerweile ist der CDU-Kevin, der Paul heißt, neuer Generalsekretär (ohne Ausbildung und Studienabschluss ist ein Job außerhalb der Politik auch schwer), und er erklärt: »Jetzt fällt die Maske!!! Wer mit @Die_Gruenen ins Bett geht, der Wacht am nächsten Tag in einer Republik auf, in der @dieLinke regiert.« (@PaulZiemiak, 7.6.2019) – Soso, das fällt dem Herrn ja früh auf.

Ein Clown bringt die Menschen zum Lachen – was also sind diese Leute?

Versuchsversuche

So egal die SPD ist, so bezeichnend sind die 2 Richtungen, in welche versucht werden soll, die SPD zu »retten«.

Die einen (vor allem jene, welche nichts bis praktisch nichts in die Sozialdemokratie investiert haben) schlagen vor, die SPD zu »retten«, indem die SPD endgültig durchdreht und einen selbsterklärten Sozialisten ohne Studium oder Ausbildung, dafür aber mit Vergesellschaftungs-Phantasien, zum Chef-Sozen erklärt.

Die anderen wollen, nach Jahren des suizidalen Wahns, der Missachtung demokratisch-rechtsstaatlicher Werte (NetzDG, TeamGinaLisa, etc.), dem Bedienen von Mikro-Moden und der Dämonisierung jener, die sich Sorgen machen, plötzlich, um ein altes SPD-Moto zu paraphrasieren, »ein wenig Vernunft wagen«.

Aus Bayern schlagen einige SPD-Mitglieder sogar Thilo Sarrazin als SPD-Chef vor (bild.de, 7.6.2019); die einzige Konstante der SPD-Politik der letzten Jahre ist es, dass sie stets das tun wird, was am schlechtesten für Deutschland ist – der Vorschlag hat also null Chancen.

Das erwähnte Lied, »I Started a Joke«, geht nach der ersten Zeile so weiter:

Ich habe einen Scherz losgetreten, welcher die ganze Welt zum Weinen brachte
Doch ich sah nicht, dass ich der Angeschmierte war

Vor allem die Linken unter den Eliten haben sich so gründlich von der Realität losgelöst, dass sie es sich nicht vorstellen können, dass sie zu den ersten Opfern ihres Tuns gehören werden.

Einige Zeilen weiter heißt es im Lied, wieder in meiner Übersetzung:

Ich begann zu weinen, daraufhin lachte die ganze Welt.

Ich wünsche allen und jedem Menschen alles erdenklich Gute, doch ich gebe auch zu, dass es viel Befreiendes hat, den Niedergang einer Organisation zu sehen, die an Merkels Seite durch Prinzipienlosigkeit, Dummheit, Halbwahrheiten und offener Verachtung der einfachen Bürger solchen Schaden über Deutschland brachte. Wenn Menschen, die Böses tun, weinen müssen, dann – ich bin stets offen mit Ihnen  – dann muss ich manchmal lachen.

Wir werden von Clowns regiert, und sie haben immer auffällig zu lachen – es bleibt zu hoffen, dass die Clowns bald ob ihres Abgewähltseins weinen (und ihre Tränen gern mit irgendeinem Aufsichtsrat-Job oder großzügiger Rente trocknen); dann werden wir wieder lachen können – hoffentlich.

Weiterschreiben, Wegner!

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