Dushan-Wegner

28.04.2019

Das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut – doch was ist die Wahrheit?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild von Aaron Burden
Das Weltbild von Linken ist auf Lügen gebaut. Diese Lügen »fühlen sich gut an«. »Wahrheit« dagegen ist immer nur der Versuch, »so wahr wie möglich« zu sein. – Zur Wahl stehen heute: Süße Lügen vs. lebensnotwendige, aber komplizierte Wahrheitsversuche.
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Nehmen wir an, dass ich einen Mann sehe, der einen Becher schmutzigen Wassers trinkt.

»Trink das nicht«, rufe ich ihm zu, »siehst du denn nicht, dass da Würmer und Keime im Wasser sind?«

»Ich habe Durst«, sagt der Mann, »großen Durst. Hast du denn besseres Wasser für mich?«

Ich habe in diesem Beispielfall kein Wasser dabei, welches ich ihm geben könnte. Also trinkt der Mann das schmutzige Wasser aus. Er wird krank und stirbt.

Wer trägt die Schuld an seiner Krankheit? Wer trägt die Schuld an seinem Tod?

Nach aktuell bester Theorie

Wenn wir sehen, dass der Kollege, der Freund oder Nachbar einer Propagandalüge aufsitzt, ist es nur natürlich, ihm zuzurufen: »Glaub das nicht! Siehst du denn nicht, dass es gelogen ist? Merkst du denn nicht, dass es höchstens halbwahr ist, dass es ein schmutziger Trick ist, der dich verführen soll, gegen dein eigenes Interesse zu handeln?«

Derjenige mag uns dann entgegnen: »Ich sehe es, doch was hast du Besseres anzubieten? Wo ist deine Wahrheit?« – Das ist der Punkt, wo der Ehrliche ins Stammeln geraten könnte.

Das Gespräch zwischen dem Propagandaopfer und dem selbstdenkenden Bürger könnte dem Gespräch zwischen einem gläubigen Kreationisten und einem Freund moderner Wissenschaft ähneln. Der eine sagt, »Gott hat alles geschaffen, fertig«, und der andere erklärt, was man bislang vermutet, wo noch Fragen offen sind, was noch strittig ist, und so fort – wessen Antwort ist »eingängiger«?

»Wahrheit« ist – nach aktuell bester Theorie – die korrespondierende Übereinstimmung von Gesagtem und Fakten; doch wie stellt man diese Übereinstimmung fest?

Nehmen Sie einen Stift und zeichnen Sie eine Linie aufs Papier; es ist gut möglich, dass diese Linie unzweifelhaft und eindeutig krumm ist, es ist jedoch ausgeschlossen, dass diese Linie »absolut gerade« ist – selbst wenn es Ihnen gelänge, Atom an Atom zu reihen (was mit einem handelsüblichen Bleistift mittleren Härtegrades nicht einfach ist, ich habe es probiert), selbst dann wären zwischen den Atomen noch Dellen im Strich; kurz: Absolut ungerade ist möglich, absolut gerade ist nicht möglich, und so verhält es sich auch mit der Lüge und der Wahrheit.

Man kann lügen, eindeutig und frech und staatstragend lügen. Man kann die Lüge sagen, die ganze Lüge und nichts als die Lüge, und man kann dafür Orden und Journalismuspreise bekommen, bis dem Publikum die Hände vom Klatschen schwielig werden. Doch, leider, niemand sagt wirklich »die Wahrheit«, man nähert sich stets nur der Wahrheit.

Wie Balsam

Wenn Sie eine einfache, eingängige Behauptung hören, und dann eine komplizierte, mit offenen Fragen und einigen Mehrdeutigkeiten, ja sogar einigen Widersprüchen, welche von beiden wird sich für Sie eher »wie Balsam« anfühlen? – Die einfache(re) Erklärung, natürlich! Und das, liebe Kinder, genau das ist, wie Propaganda funktioniert!

Der Mensch ist klug, doch die Masse ist allzu oft dumm. Die brüllt »wir sind mehr!«, und sie brüllt: »Verbrennt den Ketzer!« – Wenn ein einzelner Mensch sich zum Teil der Masse macht, dann ist auch er dumm. – Er ist dumm, und in seiner selbstgewählten Dummheit ist er gefährlich.

Es kommt drauf an

»Alle Kulturen sind gleich gut!«, »Terror hat keine Religion!«, »Willkommenskultur ist der beste Schutz vor Gewalt!«, »Wir schaffen das!« – solche und ähnliche Lügen rufen sie, doch was antwortet man ihnen?

Die angeblich allgemeingültige Behauptung etwa, »Terror hat keine Religion«, heute propagiert sogar von Pfarrern und dem Staatsfunk sowieso, sie ist nachweislich falsch, sie ist eine Lüge, sie ist Propaganda und politische Korrektheit – doch was ist dem Gegenüber die Wahrheit? Nun, die Wahrheit ist wohl komplizierter – wieder einmal.

Terror ist – ad hoc definiert – der Versuch, politische Ziele durch Angst und Einschüchterung zu erreichen. Die Behauptung, keine Religion habe politische Ziele und keine Religion mit politischen Zielen sei bereit, zu Gewalt zu greifen, ist – um es vorsichtig zu formulieren – nicht im Einklang mit einigen bekannten heiligen Büchern oder auch nur den allgemein anerkannten Geschichtsbüchern.

Es ist zugleich wahr, dass Religion einen Menschen motivieren kann, »die andere Wange hinzuhalten«, zu erdulden und zu ertragen, lieber selbst zu sterben als einem Lebewesen einen Schaden zuzufügen – man möchte hier die Juristen zitieren, die bekanntlich zu sagen pflegen: »Es kommt drauf an.«

Die Behauptung, »Terror hat keine Religion« ist auf blutigste Weise falsch, doch es ist eine eingängige Behauptung, die zu glauben sich geradezu körperlich wohltuend anfühlen kann – dennoch bleibt sie falsch. Doch, was ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist kompliziert.

Ich kann den Menschen verstehen und die Masse sowieso, wenn sie die einfache Lüge der komplizierten Wahrheit vorziehen, doch das macht deren Position nicht richtiger.

Schnell geweckt

Lüge und Wahrheit kämpfen wahrlich nicht mit gleichen Bandagen. Ignorieren wir für einen Augenblick, dass in Deutschland die »offizielle Wahrheit« (fast hätte ich »Lüge« gesagt) mit zwangsweise eingezogenem Milliardenbudget und Anschluss in (fast) jedes Wohnzimmer ausgestattet ist. Vergessen wir, dass Lügner mit Orden behangen und fürs Leben mit Rente versorgt werden, vergessen wir all das Praktische, für den Augenblick.

Die Wahrheit steht bereits in der Theorie auf einem weit brüchigeren Sockel als die Lüge. Die Lüge muss sich nur »gut anfühlen« um geglaubt zu werden – die Wahrheit aber muss überprüfbar sein und auch überprüft werden.

Das gute Gefühl der geglaubten, also »wahren« Lüge ist schnell geweckt, und es muss nur bis zur nächsten »wahren Lüge« halten – die Überprüfung der Wahrheit ist dagegen niemals abgeschlossen.

Das Propagandaopfer, das den »wahren Lügen« glaubt, es ruht in seiner Gewissheit – der Bedenkenträger aber, der Besorgte und Selberdenker, er wird immer weiter überprüfen, er wird nie absolute Gewissheit haben.

Immer nur der Versuch

Wer trägt die Schuld an Krankheit und Tod des Durstigen, der verkeimtes Wasser trank?

Wenn wir unseren Mitmenschen auffordern, nicht die Lügen der Propaganda zu glauben, sollten wir uns nicht verführen lassen, ad hoc alternative »Wahrheiten« zu entwickeln (so entstehen Verschwörungstheorien).

Wenn derjenige, der schmutziges Wasser trinkt, fragt, ob wir besseres Wasser haben, könnte eine unangenehme, aber in Konsequenz richtige Antwort lauten: »Nein, und ich rate dir, dich selbst auf die Suche nach sauberem Trinkwasser zu machen. Es ist deine Verantwortung. Ist es dir wirklich lieber, verkeimtes Wasser zu trinken, als dich selbst auf die Suche nach sauberem Wasser zu machen?«

Eine Lüge ist eine Lüge; die Wahrheit zu sagen ist jedoch, genau betrachtet, immer nur der Versuch, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen.

Weiterschreiben, Wegner!

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