Dushan-Wegner

03.07.2019

Romeo und Julia in Essen-Altendorf

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Bild von Simone Baldo
Ein 18-Jähriger wird brutal verprügelt, weil er sich der Falschen näherte. Es ist die neue deutsche Variante von Romeo und Julia, nur dass die Montagues und Capulets jetzt arabische Clans sind. Hatten wir uns das alles so vorgestellt?! Wer wollte das so?!!
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Sechs Monate lang konnte ich nicht schlafen. Wenn du nicht schläfst, ist nichts mehr real. Alles ist weit fort. Alles ist eine Kopie einer Kopie einer Kopie. Wenn die Erforschung des tiefen Weltalls endlich Fahrt aufnimmt, werden es die Konzerne sein, die alles benennen – die IBM-Stellasphere, die Microsoft-Galaxie, Planet Starbucks.

Danke soweit! Die Anfangssätze dieses Essays stammen nicht von mir, nein, ich habe sie übertragen. Es sind Sätze vom Anfang des Films Fight Club – Sie haben die Szene bestimmt erkannt.

»Alles ist eine Kopie einer Kopie einer Kopie« – merken wir uns diesen Satz! Es ist einer der wichtigsten Sätze der jüngeren Kulturgeschichte, und mit »einer der wichtigsten« meine ich: Es gibt zwar andere wichtige Sätze, aber keine wichtigeren.

Alles ist eine Kopie einer Kopie einer Kopie. Es ist guter Stil, die Höflichkeit des Autors sozusagen, dass der Satz nach nur drei Erwähnungen der »Kopie« abgebrochen wird. Es wären eigentlich sehr viele »einer Kopie« anzuhängen: Die dreimalige Erwähnung von »Kopie« steht, wie etwa auch die drei Punkte des »…«, fürs Unbegrenzte. Man zeige mir ein Original, und ich werde zeigen, wovon es die Kopie ist.

Hinter der Theaterkasse

Shakespeare liebte Zigarren, und er liebte sie so sehr, dass er einen Film mit Leonardo di Caprio nach seiner Lieblingsmarke benannte, Romeo y Julieta, und in dem Film verlieben sich ein Romeo und eine 13-Jährige ineinander, und deren Familien finden das problematisch, und nach vier Tagen geben die beiden Schnellentflammten auf und bringen sich um – typisch ungeduldige Millenials! (Eine andere Kopie der Romeo-y-Julieta-Geschichte behauptet, dass die Zigarren nach den Lieblingswerken der Zigarren-Dreherinnen benannt wurden, die sie beim Zigarrendrehen vorgelesen bekamen – suchen Sie sich aus, was Ihnen zusagt!)

Shakespeare’s Romeo und Julia ist selbst wieder eine Kopie, wenn auch eine strahlende, ganz eigene, ja, ein neues Original. Schon Tristan und Isolde hatten gewisse Schwierigkeiten, zueinander zu finden, und dann vertat sich Tristan ob der Segelfarbe, und dann waren sie beide tot. Doch, Schakespeares zum Original gewordene Kopie wurde, selbstverständlich, wieder kopiert. Etwa von Gottfried Keller, »Romeo und Julia auf dem Dorfe«, wo ebenfalls die liebenden Protagonisten gewisse kritische Anmerkungen ihrer Väter ertragen müssen, und so treiben sie es schließlich im Heu eines Heuschiffs und zuletzt tot den Fluss hinunter.

Alles ist eine Kopie einer Kopie einer Kopie. Wir schreiben eine neue Kopie der alten Geschichte. Wir dürfen sie nennen: Romeo und Julia in Essen-Altendorf.

Shakespeare schrieb seine dramatischen Straßenfeger des wunderschönen Mammons wegen – er war Theaterbesitzer – insofern findet sich die BILD-Zeitung in bester Tradition, wenn sie ihren Text zum neuen Romeo und Julia hinter einer Bezahlschranke sichert (Link: bild.de, 2.7.2019: »Araber-Clan prügelt auf 18-Jährigen ein«), doch wir finden auch einen Bericht über den Bericht, und dort heißt es:

Ein Video zeigt schockierende Gewaltszenen aus dem Clan-Milieu: Männer attackieren einen 18-Jährigen, treten immer wieder brutal auf ihn ein. (…) Hintergrund der Auseinandersetzung sei eine verbotene Beziehung zwischen dem jungen Mann und einem Mädchen der anderen Großfamilie, wie die »Bild« berichtet. (kn-online.de, 4.7.2019)

Die Handlung ist nicht mehr spannend, oder zumindest nicht neu. Es ist das Deutschland der Gutmenschen. Wo absolute Toleranz herrscht, da herrscht immer bald absolute Gewalt (siehe etwa mein Text »Unsere tödliche Toleranz«). Auch die ethische Schuld an den Gewalttaten zu debattieren wäre längst müßig (siehe etwa mein Text »Die Schuld der Gutmenschen«).

In einer anderen Zeitung, auch dort erst hinter der Theaterkasse, lesen wir:

Das Opfer wird bespuckt und beschimpft. Meistens wird vulgäres Arabisch gesprochen. Es fallen Sätze wie »Wir ficken deine Ehre« oder »Wir ficken deine Mutter.« Hin und wieder wird auch auf Deutsch (»Du Hund«) geschimpft. Zwischendurch schlägt einer vor, das Opfer mit einem Auto zu überrollen. Die Raserei flacht nicht ab, sie steigert sich. Am Ende reißt der Mob dem Opfer das schwarze T-Shirt vom Oberkörper. Ein Akt, der in der muslimischen Männerwelt als üble Erniedrigung und Kränkung zu verstehen ist. (waz.de, 2.7.2019 (€), ich habe die schamhaft ausgepunkteten Schimpfwörter ausgeschrieben – das soll es sein, was dem Leser nicht zugemutet werden soll?! Ach, Leute.)

Doch wer waren die Täter? Wir erfahren dies:

Der siebenköpfige Schlägertrupp soll sich aus Mitgliedern mehrerer Großfamilien rekrutieren, es ist die Rede von den Clanfamilien S., O. und H. (waz.de, 2.7.2019 (€) – hier habe ich das Weggepunktete nicht ergänzt).

Die Familien der neuen deutschen Romeo-und-Julia-Geschichte heißen nicht mehr Montague und nicht Capulet, sie kommen aus Syrien oder Libyen, nicht aus Verona, ob dieses nun am Meer liegt oder nicht.

Für Gesetzesbrecher stark

Wir leben in einer Kopie, manche vermuten: Wir leben in einer Simulation (siehe auch: »Ist Merkel-Demokratie nur Simulation, wie im Film Matrix?«)

Nach der EU-Wahl trafen sich die »Regierungschefs«, warfen die Wahlergebnisse erst einmal weg – und bestimmten, dass die Plagiatorin Ursula von der Leyen (laut z.B. spiegel.de, 9.3.2016: »Ursula von der Leyen hat nachweislich in ihrer Doktorarbeit plagiiert.«), bezüglich deren Ministerium aktuell ein Untersuchungsausschuss läuft (siehe etwa handelsblatt.com, 21.3.2019), die bestmögliche Wahl wäre, neue EU-Kommissionpräsidentin zu werden. Hinter von der Leyen zieht sich eine Spur politischen Flächenschadens – die Bundeswehr ist in desolatem Zustand – auf gewisse Weise ist von der Leyen der ideale Kandidat aller, welche die EU lieber heute als morgen abwickeln würden. Die Brüsseler Elitokratie nennt sich »demokratisch«, doch das tat die DDR auch und sogar im Namen, und die EU wirkt wie die Kopie einer Kopie einer Kopie von Demokratie, und bei jedem Kopiergang mutierte etwas. Das Original, so es je einst gab, ist längst verschollen und die EU wirkt wie das Gegenteil dessen, was sie zu sein vorgibt.

Ein Präsident, ein Minister und ein Staatsfunker in Deutschland machen sich derweil für eine Gesetzesbrecherin stark (siehe »Jetzt mal ernsthaft!«) und peitschen die Gehirngewaschenen auf. – Messerstecher, die womöglich mit Messern kontrolliert und anschließend laufengelassen wurden (focus.de, 3.7.2013). Ein Staatsfunk und eine Regierung, die Lügennachrichten von der Antifa übernehmen und ein Verfassungsschutz-Chef, der gefeuert wird, weil er darauf besteht, die Wahrheit zu sagen (siehe »Berliner Inquisition, Maaßen und die Scheiterhaufen des Wahrheitssystems«). Derweil müssen die Opfer gutmenschlichen Wahns gegen die Bundesrepublik auf Schmerzensgeld klagen, in der mutigen Hoffnung, derart ein klein wenig Gerechtigkeit herzustellen (bild.de, 3.2.2019). Deutschland wird zur Kopie einer Kopie einer Kopie eines Rechtsstaates.

Woraus man nicht herausfallen kann

Der Philosoph David Chalmers ist bekannt für seine Herausarbeitung des »Hard Problems«, das ausformuliert, warum das menschliche Bewusstsein wahrscheinlich nicht einfach so auf die materielle Ebene reduzierbar ist (sein Standardwerk dazu heißt »The Conscious Mind«). – Ich kann mich an eine Debatte erinnern, als Chalmers nach Köln gekommen war, Elli und ich studierten damals Philosophie. Es wurden diverse Aspekte der Simulationstheorie diskutiert (die Matrix war noch immer ein Thema), und jemand stellte die Frage, wie man »Realität« definieren sollte. Ich warf in den Raum, »Realität« könne man doch schlicht das nennen, »woraus man nicht herausfallen kann«. Es ist in analytischen Philosophenzirkeln üblich, die Argumente des Anderen schnell zu prüfen, sprich: höflich zu zeigen, warum es kompletter Unsinn ist. Chalmers zögerte bei meiner Antwort für eine Sekunde, und sagte dann sinngemäß etwa, das könnte man prüfen – höchstwahrscheinlich hätte er nach minimaler Prüfung mir hundert Gründe vorlegen können, warum das, was ich sagte, widersprüchlich sei, doch in dem Moment war ich so stolz wie ein Philosophiestudent nur stolz sein kann.

Heute ist mein philosophisches Treiben (hoffentlich) praktischer, doch ich stelle gelegentlich durchaus ähnliche Fragen: Was soll meine Realität sein? Was ist es, woraus ich nicht hinausfallen will? Oder, im Geiste dieses Essays: Welche Kopie der Kopie der Kopie, welche mögliche Version meines Lebens erkläre ich selbstbewusst zum Original?

Abend für Abend

»Dies ist dein Leben«, heißt es im Film Fight Club, »und es geht eine Minute nach der anderen vorbei.« – Was folgt daraus?

»Sei du selbst!«, so heißt es in billigen Ratschlägen, doch wehe, man ist beim »Selbstsein« ein wenig unhöflich, ein wenig politisch unkorrekt, wehe man denkt selbst, denn der Satz bedeutet, wenn man ehrlich ist: »Sei das, was wir von dir wollen, das du bist, doch tu gefälligst so, als würdest du das gern tun!«

»Sei keine Kopie, sei das Original«, drucken sie auf T-Shirts und Schlüsselanhänger, tausend- und millionenfach – es ist lächerlich. Was du tust, wird immer eine Kopie sein, atme es ein und finde dich damit ab.

Ich sage nicht, »sei du selbst« oder »sei keine Kopie«, – es wäre eine Lüge, denn auch ein Imperativ kann eine Lüge sein, wenn er die Möglichkeit einer unmöglichen Handlung impliziert. – Ich sage: Ordne deine Kreise! Ich sage: Bedenke deine relevanten Strukturen (ja, das Buch dazu ist »Relevante Strukturen«, für alle Einsteiger hier).

»Wenn du nicht schläfst, ist nichts mehr real«, so heißt es in Fight Club, »alles ist weit fort. Alles ist eine Kopie einer Kopie einer Kopie.« – Nun, auch wenn man schläft, kann alles weit fort sein, und im Traum ist definitiv alles eine Kopie einer Kopie einer Kopie.

Deutschland wird Abend für Abend von einer Acht-Milliarden-Euro-Propagandamaschine eingeschläfert, währenddessen inszenieren archaische Clans das alte Lied Romeo und Julia neu, und in Brüssel wird auch der letzte Anschein von Demokratie abgefackelt. Es ist alles eine Kopie einer Kopie einer Kopie.

»Sechs Monate lang konnte ich nicht schlafen«, heißt es in Fight Club – zu viele Bürger werden, metaphorisch gesprochen, »im Schlaf sterben«, doch einige werden früher oder später aufwachen, und dann werden sie länger als sechs Monate keinen Schlaf finden.

Alles ist eine Kopie einer Kopie einer Kopie – du hast keine Wahl, selbst wenn du eine Wahl hast, siehe Brüssel — suche dir zumindest für dich selbst eine Kopie aus, die dir gefällt. – Schaffe dir eine Realität, aus der du nicht herausfallen kannst – eine Realität, aus der du nicht herausfallen willst.

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