Dushan-Wegner

16.05.2018

Die Zukunft in Zeiten der Merkelisierung

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Bild von Martin Barák
Nur schimpfen kann jeder – ich habe die quälende Mühe auf mich genommen, und Ihnen die Stichpunkte aus Merkels Rede am 16. Mai 2018 aufgeschrieben. Sie hat über alles Mögliche gesprochen – nur über eines nicht: über ihre Verantwortung für die Folgen ihrer Politik!
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Es ist Mittwoch, der 16. Mai 2018. Die Kanzlerin, Frau Dr. M., hat eben im Bundestag gesprochen. Die Debatte zum Haushalt wurde eröffnet von der AfD. Weidel sagte Richtiges sowie Falsches, und mit »Falsch« ist hier moralisch Falsches gemeint. (Ich gebe Schäuble in diesem Punkt recht, siehe dazu auch meine Notiz zu speziell diesem Punkt.) Nach Merkel sprach die FDP. Lindner kritisierte hier und da, im Großen und Ganzen schien er aber einer weiteren Chance für eine Koalition unter Mutti in der Zukunft doch nicht abgeneigt zu sein. Er rief aus: »Führen Sie unser Land!« (Auch erwähnte er wieder das böse Wort »Untersuchungsausschuss«, diesmal in Bezug auf Seehofer. Was ist eigentlich aus Ihrem Merkel-Untersuchungsausschuss geworden, Herr Lindner? Hatten Sie den nicht zugesagt, für den Fall, dass Sie in die Opposition gehen? Sie sind jetzt eine Oppositionspartei, wenn auch nicht die größte, aber immerhin im Bundestag.)

Merkels Rede selbst war eine unzusammenhängende Kollektion aller möglichen Stichworte. Motto: Viel hilft viel. Doch, schimpfen kann jeder – ich habe die quälende Mühe auf mich genommen, Ihnen die Stichpunkte aus Merkels Rede aufzuschreiben. Bitteschön: Haushalt 2018, erfreuliche Daten, höchste Beschäftigung seit der Wiedervereinigung, keine Neuverschuldung seit 2014, Generationengerechtigkeit (das Denken an die, die nach uns einmal jung sein werden), staatliche Investitionen in die Infrastruktur, Investition in Bildung, Giftgaseinsätze in Syrien, Kündigung des Iran-Abkommen, Bombardierung der Golan-Höhen, Terror-Opfer in Paris und Indonesien, viele tote Palästinenser bei 70 Jahre Israel, transatlantische Beziehungen von herausragender Bedeutung, Meinungsverschiedenheiten mit Amerika (Iran-Abkommen), Syrien, Kampf gegen IS, Small Group (USA, Deutschland, Frankreich …) Astana-Gruppe (Russland, Iran, Türkei), Normandie-Format für Ukraine (politische Lösung, anders geht es nicht, jede Nacht kommt es zu Verletzungen der Waffenruhe), was brauchen wir für eine Bundeswehr, die den heutigen Anforderungen Rechnung trägt, »Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt« – richtig, Landes- und Bündnisverteidigung wieder von größerer Bedeutung, Luftraumüberwachung im Baltikum, nicht nur jeden 100. Soldaten vernünftig ausstatten, (sage ich mal gegriffen, bin keine Expertin) sondern in großer Breite., Digitalisierung, die Strukturen der Bundeswehr, völlig neue Fähigkeiten, Cyber-Kommando, hybride Kriegsführung (wegen Russland), nicht Aufrüstung sondern Ausrüstung (ruhiger Dialog), stärkeres Europa, europäische Antworten, 178 Waffensysteme in der EU, 30 Waffensysteme in USA, Vereinheitlichung der Waffensysteme für die EU, Migration – ein Thema für Jahrzehnte, mit Syrien, mit Afrika, gemeinsame europäische Asylpolitik, Ausbau Frontex, momentan 600 Polizisten, Ursachen bekämpfen, Entwicklungspolitik, humanitäre Hilfe vor Ort, mehr Geld in die Länder stecken, Entwicklung findet nicht ausreichend statt, Wirtschaftlicher Schwung, mehr Investitionen in Afrika ermöglichen, bessere Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit in den einzelnen Mitgliedstaaten stärken, ESM weiterentwickeln, möglicherweise Backstop bei ESM, (9:36: offene Frage Euro-Haushalt, Eurozone wird bis Juni gelöst), Balkan, Serbien und Kosovo, Namensfrage Mazedonien, Grenzabkommen, Slovenien und Kroatien Seezugang, gesellschaftlicher Wandel durch Digitalisierung, Breitband, Glasfaser, zusätzliche Mittel, Forschung und Entwicklung (zählen zu den 5 Ländern, die am meisten investieren in diesen Bereich), Haben den Anschluss verloren, bei Konsumentendigitalisierung, nutzen da asiatische oder amerikanische, Produkte, Mobilität wird sich dramatisch verändern, Dieselaffäre, Vertrauensverlust, die Industrie muss selbst den Vertrauensverlust ausbügeln, Dieselaffäre, strukturierte Förderung in die Zellproduktion einzusteigen, Verwaltungsdigitalisierung, Gesundheitskarte, happy Birthday Spahn, nationale Bildungsoffensive, Veränderung im technischen Bereich, KI-Enquette (wir sind dabei, wo wir den Anschluss ein bisschen schon verloren haben oder zu verlieren drohen), Wir brauchen mehr Datenfutter für die KI (so wie bei Kühen), Komission Ethik der Daten wichtig, Kompatibilität der Steuersysteme, Von der Digitalisierung hängt das Wohlstandsversprechen ab, Einrichtung eines Digital-Rates, Jeder Minister ist heutzutage ein Digitalminister, Umgang mit disruptiven Innovationen in Europa, einige Grundgesetzänderungen für Schulförderung, für sozialen Wohnungsbau, für Verkehrsinvestitionen, Genehmigungsrecht beschleunigen, mehr Gründungsincentives, Wir haben viel gemacht, aber noch nicht genug. Sonst müssten wir ja irgendwann aufhören Abgeordnete zu sein (9:50), Steuerung und Ordnung der Migration im Inneren, Ankerzentren, Rentenkomission, Pflege und Gesundheit, Klimaschutz, Ausstieg aus der Braunkohle, die letzte Grube Steinkohle schließt, erst fragen, was wird in der Region, dann aussteigen, lebenswerte Umwelt, mehr Tierwohl, mehr vernünftige Landwirtschaft, Weltbienentag, Bienen stehen Pars pro Toto für Artenvielfalt. Tut was Gutes für die Bienen!

(Ich nehme an, Sie haben den obigen Absatz übersprungen – willkommen zurück!)

Wissen Sie, worüber Merkel nicht sprach? Darüber, dass Frauen sich – dank Merkels Welteinladung – in Teilen von Deutschland am Abend nicht mehr allein auf die Straße trauen. Darüber, dass jüdische Kinder in Schulen gemobbt werden. Darüber, dass Hochqualifizierte auswandern und sich das Versprechen von den »Ärzten, Ingenieuren und Fachkräften« als Propaganda-Lüge offenbart – was eigentlich schon damals allen jenen klar war, die aufgrund ihrer Klarsicht als »Populisten« und Übleres beschimpft wurden. Sie hat das Thema »Migration« kurz gestreift, sicher, und sie hat es schnell abgehakt. Als Zukunftsthema. Fachkräfte sollen zuwandern – das haben wir doch schonmal gehört. (Warum sollten sie?!) Über die Opfer ihrer Politik, die schon heute in Krankenhäuser eingeliefert werden – kein Wort. Über Lehrer und Schulen, die hinter vorgehaltener Hand sagen, dass es zu spät ist – kein Wort. Über die Menschen, die nach Messerattacken fürs Leben traumatisiert werden – kein Wort. Über ein Land, in dem durch ihre Politik wieder neue Here-be-dragons-Gebiete auf den Landkarten entstehen – kein Wort.

Während Merkel sprach, ging die Meldung über die Internet-Seiten, dass in Herne drei Messerstecher festgenommen wurden. In NRW hat die SPD nachgerechnet, auch diese Meldung las man heute Vormittag, dass sich seit September 2017 in NRW stolze 572 Fälle von Messergewalt ereigneten. Die Fälle von Gewalt zu ihrer eigenen NRW-Regierungszeit nachzurechnen, dazu reichte die Energie der SPD nicht. (Geht es noch durchsichtiger?) Für das, was sonst noch wirklich passiert ist, empfehlen sich freie Medien.

In Merkels Welt läuft »vieles gut« und einiges muss noch getan werden. Merkels Kopf ist eine negative Filterblase: Alles, buchstäblich alles interessiert sie, vom Hindukusch bis zu den Bienlein, nur das Wohl der Menschen auf der Straße, sich darum zu kümmern wäre wohl populistisch.

Mir schreiben Menschen, die Angst um die Zukunft ihrer Kinder haben. Eltern raten ihren Töchtern und Söhnen, im Ausland zu studieren und dort dann auch Arbeit zu suchen – wissend, dass sie als Eltern dann in Deutschland allein bleiben werden. Früher wanderte man nach Deutschland ein, um es besser zu haben – heute wandern die ersten Starken und Fähigen aus Deutschland aus, damit ihre Kinder es besser haben. Eine Politik, die solches notwendig macht, ist ungerecht, dumm, grausam und vor allem zukunftsblind. Was nutzt die Digitalisierung, wenn Menschen wegen des Tragens einer Kippa auf den Straßen verprügelt werden? Was interessieren die Bienen, wenn man ein Leben lang an den Moment denken muss, als das Messer zwischen die Rippen drang, wenn man die Narbe jedes Mal sieht, wenn man im Bad vor dem Spiegel steht?

Merkel hat Mist gebaut. Großen, schrecklichen Mist. Sie hat Deutschland geschadet wie keine Regierung der Bundesrepublik zuvor. Sie hält eine panische Bundestagsrede, in der sie alles Mögliche erwähnt, nur das eine nicht: die eigene Verantwortung für das Desaster, das schon begonnen hat.

Politiker können die Zukunft nicht gestalten, auch wenn Kommunisten und andere Totalitäre das immer wieder behaupten. Politiker können nur den Menschen die Sicherheit geben und die Möglichkeiten bereitstellen, die Zukunft aus eigener Kraft selbst zu erfinden. Merkel und ihre Zuarbeiter nehmen den Menschen nach und nach alles weg, was es braucht, die Zukunft zu »gestalten«. Wer um seine Sicherheit besorgt ist, kann nicht frei an interessanten Technologie-Ideen experimentieren – er wird buchstäblich »auf Sicherheit« fahren. Wer keine Zukunft im Land sieht, wird nicht in selbiges investieren, weder Zeit noch Geld noch Herz. Wer Angst hat, für seine Meinung durch demokratisch fragwürdige Zensurgesetze fertiggemacht zu werden, wird die Debatte nicht mit seinen neuen, frischen, (buchstäblich) unorthodoxen Ideen voranbringen. So schafft Merkel aktiv den Boden für gefährliche Ideologien.

Merkels heutige Rede hat vor allem eines bestätigt: Je länger diese unselige Ära andauert, um so wichtiger ist es für Bürger, sich für ihre Zukunft abgesicherte Enklaven zu suchen, sowohl real als auch virtuell. (Siehe auch »Nehmt Abschied, nehmt Abschied vom alten Europa«.)

Ja, es gibt Hoffnung, doch – und das hat die Merkel-Ansprache neu verdeutlicht – es gibt sie nicht in der Richtung, in der diese Regierung unterwegs ist. Es braucht neue geistige Refugien der inneren Freiheit, und gute Schlösser an den Türen, um diese Ära zu überstehen. Was danach kommt? Sagen wir es so: Die Welle wird zurückrollen. Ich will mich und meine Kinder bilden – die Bücher und freien Denker haben sie uns noch nicht genommen – ich will versuchen, meine Kinder in Sicherheit und Ordnung aufzuziehen. Ich will weiter und täglich erforschen, was meine relevanten Strukturen sind, und ich will diese stützen.

Eine gute Regierung macht es den Bürgern möglich, ihre Zukunft selbst zu gestalten – eine schlechte Regierung zwingt sie dazu. Auf denn, gestalten wir!

Weiterschreiben, Wegner!

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