Dushan-Wegner

28.11.2019

Klimanotstand und Weihnachtsmann

von Dushan Wegner, Lesezeit 7 Minuten, Bild von Natalya Letunova
Das EU-Parlament ruft »Klima-Notstand« aus. Ein »Notstand« gilt historisch als Krise, die es notwendig macht, Demokratie und Rechtsstaat teilweise aufzuheben. Ein »Notstand«? Ernsthaft? Erzählt das doch dem Weihnachtsmann!
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Haben Sie sich schon einmal dieses Internet angeguckt? In diesem Internet gibt es die wildesten Ideen zu lesen, mein lieber Scholli! Einmal las ich – halten Sie sich gut fest! – dass das Gebäude des EU-Parlaments in Straßburg den Original-Fotos des halbfertigen Turms zu Babel nachgebaut wurde. Das stand auf russischen Websites, und was dort steht, das ist alles wahr (mehr Infos dazu auf mythdetector.ge, 24.3.2017). Es gibt ja Langweiler, die sagen, das Parlamentsgebäude sei in Wahrheit einem römischen Amphitheater nachempfunden, nicht Bruegels Gemälde des Turmbaus zu Babel – na gut, wenn das EU-Parlament sich symbolisch an einen Ort anlehnt, wo man Christen den Löwen zum Fraß vorwarf (man nannte es poetisch die »Damnatio ad bestias«, siehe Wikipedia), dann steht es mir nicht an, die Klugheit dieser hohen Damen und Herren in Zweifel zu ziehen – nicht dass ich am Ende selbst noch den Bestien vorgeworfen werde!

Jedoch, es sei mir eine kunsttheoretische Frage erlaubt: Ist die Deutung, die ein Künstler seinem Werk gibt, die einzig richtige? Hat die Deutung des Künstlers ob seines Kunstwerks irgendeine besondere Stellung gegenüber allen anderen Deutungen? Meine Kinder würden an dieser Stelle antworten: »Wenn du schon so fragst, Papa!« – Selbstverständlich darf und sollte der Betrachter dem Werk seine eigene Deutung und Be-Deutung geben. (Beispiel: Vincent van Gogh wollte, habe ich gehört, das Gemälde seines Schlafzimmers als Inbegriff von Ruhe und Geborgenheit verstanden wissen – wir als Betrachter erkennen in dem Raum mit den unsymmetrischen Wänden nicht unbedingt eine Darstellung innerer Stabilität, selbst wenn die Wände seines Zimmers tatsächlich asymmetrisch und schräg gewesen sein sollten.)

Natürlich dürfen wir feststellen, dass aus bestimmten Winkeln die Architektur des EU-Parlaments uns an Bruegels Gemälde des Turmbaus zu Babel erinnert (vergleiche bei Wikipedia). Und das ist der Punkt, wo es spannend wird: Wir wissen, dass es die Idee des Turmbaus war, einen Turm zu bauen, »dessen Spitze bis an den Himmel reiche« (Genesis 11:4). Und wie endete das Vorhaben? Gott verwirrte ihre Sprachen, so dass sie einander nicht verstanden (Genesis 11:7-9).

»Revolution ist kein Ponyhof«

Eben dieses EU-Parlament hat am Donnerstag den 28. November 2019 den »Klimanotstand« ausgerufen (siehe etwa bild.de, 28.11.2019). Es ist eine »symbolische« Handlung, so hört man, es soll »Druck aufbauen«, entsprechende Gesetze zu erlassen. Ignorieren wir für einen Augenblick das ganze EU-Kasperletheater, das sonst vor allem abnickt, was die Kommission ihr in den Schlund schiebt – die Kommission wohlgemerkt, die angeführt wurde vom fröhlichen Herrn Juncker und jetzt von der gewiss stets gut beratenen Frau von der Leyen. Der ausgerufene Notstand nun aber hat keine direkte gesetzliche Wirkung, was ist aber dann der Zweck?

Dr. Hingerl schreibt: »Nun hat das Parlament der EU nach Konstanz und weiß nicht wem sonst noch den »Klimanotstand« ausgerufen. Dem Wetter und seinem dreißigjährigen Durchschnitt Klima ist das egal.« (tichyseinblick.de, 28.11.2019)

Man redet vom »klimaneutralen Kontinent«, und doch betont man, dass es sich nur um »Symbolik« handeln soll. Gut, nehmen wir sie beim Wort, und betrachten wir die Symbolik. Es ist nicht das erste Mal, dass in Europa ein Notstand erklärt wird, da war nämlich etwas, vor 85 Jahren – wer seine Handlung nicht praktisch mit dem konkreten Nutzen begründet, sondern mit »Symbolik«, der sollte es begrüßen, an der Symbolkraft seiner Handlung gemessen zu werden.

Ein von oben erklärter »Notstand« hat in Europa eine eher schwierige Geschichte, um es höflich zu sagen. Adolf Hitlers eigentliche Machtergreifung geschah 1933 durch das »Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich«, das als »Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933« bekannt ist (siehe Wikipedia). Der Schrecken des Dritten Reiches begann damit, dass basierend auf der Stimmung im Volk ein Notstand ausgerufen wurde, der erst die emotional-moralische und dann die rechtliche Grundlage schuf, die üblichen Regeln von Rechtsstaat und Demokratie aufzuheben und die Macht bei Hitler selbst zu konzentrieren.

Dafür, dass es abstrakte Parallelen zwischen dem Notstand von 2019 und dem von 1933 gibt, würde die Tatsache sprechen, dass der deutsche Staatsfunk es dementiert: »“Klimanotstand“ – Keine Parallele zur Notverordnung 1933« (tagesschau.de, 28.11.2019, kaum überraschend von einem gewissen Herrn Gensing.)

Nein, die symbolische Erklärung eines angeblichen »Klimanotstands« durch das Parlament von Babel, Pardon: von Europa, das ist natürlich noch kein Ermächtigungsgesetz – jedoch: In derselben Debatte, teils von denselben Leuten, die der Ausrufung des Notstands applaudieren, hören und lesen wir offen anti-demokratische Ideen.

Öko-Aktivisten veranstalten »Tumult im Bundestag«, und als von ihnen mehr Respekt gegenüber der parlamentarischen Demokratie verlangt wird, heißt es lapidar: »Revolution ist halt kein Ponyhof« (@luisaneubauer, 4.6.2019/ archiviert – ja, jene Dame, die für ein politisches Großevent ausgerechnet im Berliner Olympiastadion trommelt). Ja, dieses Wort: »Revolution«. – Mario Sixtus etwa, »bekannt aus Funk und Fernsehen«, wie man so sagt, stellt in den Debattenraum, man könne »Krise ausrufen, Krisenregierung einberufen« um »diese Krise zu lösen«, denn: »Alles andere ist nachrangig, inklusive privatem Eigentum oder persönlichen Lebensplanungen.« (@sixtus, 30.5.2019/ archiviert) – Die Grenzen zwischen Sozialisten und Öko-Aktivisten sind fließend, die Schnittmenge erheblich.

Ähnlich wie demonstrierende Politiker ist die Erklärung eines Notstands ein Akt des Misstrauens in die üblichen Verfahren der Demokratie. Es soll, über rationale, besonnene und damit demokratische Debatte hinaus ein emotionaler Druck aufgebaut werden – mit welchem Ziel? Öko-Aktivisten und manche »Grüne« haben in der vergangenen Zeit den Eindruck erweckt, dass sie das Thema Umweltschutz sowieso vielleicht nur als Mittel zum Zweck nutzen – und der Zweck wäre dann wohl irgendwas mit Sozialismus. 

Das alte Gespenst

Ich erinnere mich noch gut an die Tage, als erst die Mauer fiel, und dann (gegen den Widerstand von SPD und Grünen) die Wiedervereinigung geschah. Ich hätte mir viele Szenarien ausgemalt, wie die Zukunft aussehen würde – dieses aber nicht, wahrlich nicht. 30 Jahre nach dem Mauerfall stinkt es nach einem neuen Sozialismus, einer DDR 2.0, diesmal europaweit und im Namen vorgeblichen Naturschutzes. Das Gespenst geht wieder um in Europa, und es ist noch immer das alte Gespenst.

Der Turmbau zu Babel steht für menschliche Hybris, für Überheblichkeit und Größenwahn. Die demokratische Geisteshaltung muss bescheiden sein, sonst ist sie bald nicht mehr demokratisch.

Natürlich erwartet niemand nun ernsthaft, dass die EU-Parlamentarier irgendwelche eigenen Konsequenzen aus dem erklärten »Klimanotstand« ziehen werden – sie werden weiter in Europa umherfliegen, sie werden weiter unnütz in ihren klimatisierten Büros sitzen, sie werden ihre gutbezahlten und sehr klugen Köpfe weiter in standesgemäßen Autos umherfahren.

Die EU war einst eine gute Idee, doch diese EU erinnert tatsächlich an den Turmbau zu Babel – zu viel Hybris, zu wenig Verstand. Die EU hat sich ein Amphitheater gebaut, und sie wirft den Verstand den Löwen zum Fraß vor.

Greta, Luisa oder Carola

Die Demokratie hat heute einen schweren Stand. Bürger werden rund um die Uhr emotional weichgekocht, bis sie eines Tages auch undemokratische Maßnahmen hinnehmen werden.

Sogenannte Öko-Aktivisten, von denen viele inzwischen offen einen weiteren Sozialismus-Anlauf planen, stellen ihre hysterische Augenblicksmoral über die Grundwerte der Demokratie.

Egal, was linke »Demokratiekritiker« sagen: Die Demokratie ist die beste politische Staatsform, um Naturschutz durchzusetzen – sozialistische Diktaturen sind nicht eben für ihren Naturschutz bekannt, im Gegenteil – und selbst wenn Demokratie nicht die beste Staatsform zum Zweck des Naturschutzes wäre, wäre es unsere Aufgabe, dieses und jedes andere Projekt dennoch innerhalb des demokratischen Systems zu versuchen.

Wer wirklich Naturschutz wollte, der würde Demokratie stärken, statt sie zu schwächen. Es scheint täglich mehr, dass die von teils aus dem Ausland finanzierten NGOs geschürte Öko-Hysterie die Beschädigung der Demokratie in Kauf nimmt – und wir hoffen, dass die Beschädigung und Aufhebung der Demokratie nicht eines ihrer wahren Ziele ist.

Ich erwische mich in den Tagen immer wieder beim Gedanken: Erzählt das doch dem Weihnachtsmann! (Und es gibt ein T-Shirt- und Pulli-Design dazu, passend zur Saison!)

Weltklima retten, indem man Deutschlands Industrie in die Knie zwingt? Natur schützen, indem man Artenschutz lockert und Bäume abholzt, und dann mit Hunderten von Metern hohen Stahlmonstern die Landschaft verschandelt? Politische Maßnahmen von aufgepeitschten Kindern bestimmen lassen? Hysterie schüren, demokratische Wege umgehen wollen und nebenbei wieder Sozialismus einzuführen versuchen – und hoffen, dass es diesmal klappen wird, diesmal ganz bestimmt? Ach, erzählt das alles doch dem Weihnachtsmann!

Solange die Menschheit existiert wurde noch keine kluge Entscheidung durch emotionalen Aufruhr getroffen, weil und indem die Masse in tumbe Hysterie aufgepeitscht wurde. Wer »Notstand« sagt, will populistisch Emotionen wecken, will die Menschen manipulieren – das kann man »gut« finden, aber nicht so wirklich im Geist der Demokratie.

Der »Klimanotstand« sei »symbolisch«, sagen die Politiker – okay: Ein erklärter Notstand steht geschichtlich regelmäßig für den Versuch, Demokratie und Rechtsstaat auszuhebeln. Was soll das also für eine Symbolik sein?!

Je schäumender, schriller und irrationaler Propagandisten und Populisten werden, um so ruhiger will ich werden. »Notstand« sagt ihr? Ja, wir steuern auf einen »Notstand« der Demokratie zu – und auf ganz andere Notstände, teils mit Dienstwagen und horrenden Diäten.

Je lauter die »Aktivisten« kreischen, um so kühler sollten wir selbst werden. Wenn diese Mädchen, ob sie nun Greta, Luisa oder Carola heißen, uns vom Weltuntergang erzählen, wenn der Onkel im Fernsehen in die Kamera seine ganz spezielle Version der Wahrheit erzählt, wenn der  ahnungslose Politiker mir erklärt, warum ich auf dieses und jenes verzichten soll – und er nicht, klar – dann atme ich tief durch, ich lasse meinen Puls runterkommen, und ich antworte in aller Ruhe: Erzähl das doch dem Weihnachtsmann!

Weiterschreiben, Wegner!

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