Dushan-Wegner

28.05.2018

Die innere Verwahrlosung der Meinungsmacher

von Dushan Wegner, Lesezeit 14 Minuten, Bild von Maja Petric
Meinungsmacher in Politik und Medien legen Feuer an das Haus, in dem wir gemeinsam leben. (Der Grund? Ich nenne es die »innere Verwahrlosung«.) Wofür aber soll man kämpfen? Was wollen wir, was will ich? Einfach: Das Feuer löschen.
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Ihr Haus ist Ihnen zu klein geworden. Oder der Schnitt der Zimmer passt nicht mehr zu Ihnen. Ein neues Kind ist da, eine neue Seele. Oder ein altes Kind, ein Schöngeist, eine noch immer suchende Seele, ist wieder da. Was tun Sie mit dem Haus? Brennen Sie das Haus ab, weil ein Zimmer zu klein? Legen Sie Flammen auf dem Dach und in der Küche, weil am Ende des Flures ein Zimmer fehlt? – Nein.

Es gibt ja, habe ich gehört, einzelne Menschen, die schätzen ihr eigenes Heim so wenig, dass sie es verwahrlosen lassen. Müll und Unrat stapeln sich dort. Schicht um Schicht. Die letzte Form der Verwahrlosung aber, das wäre, sein Haus aus Langeweile (oder einem anderen inneren Unwohlsein) niederzubrennen.

Nein, man brennt nicht sein Haus ab, weil ein Zimmer zu klein geworden ist oder weil die Tapete aus der Mode fiel – man renoviert oder erweitert es, man geht mit Sorgfalt und Bedacht vor. Man achtet darauf, die Gedanken der alten Erbauer fortzuführen. Man bewahrt, was gut war, und man baut darauf auf, um neues Gutes zu erschaffen.

So sollte es auch mit der Moral sein: Man gibt nicht die Moral der Väter auf, weil es hier zwickt oder da drückt.

Das Ost-West-Absurdum

»The proof of the pudding is in the eating«, sagt ein altes englisches Sprichwort. Der Beweis des Puddings besteht darin, ihn zu essen. Ich deute es so: Ein Konzept ist dann und darin bewiesen, wenn und indem es funktioniert. (Kommen Sie mir nicht mit Ko-Inzidenz, darum geht es hier nicht; eher so: ein Konzept ist widerlegt, wenn es nicht funktioniert – siehe »kein richtiger Fall von X« … yeah, right!, und im »Normalfall« meist eben auch bestätigt, wenn es akkurate und dazu nützliche Vorhersagen trifft.)

Was sind die Moralkonzepte einer Gesellschaft, einer Nation und einer Kultur, praktisch wert? Nach welchen Kriterien sollten wir sie beurteilen? Die niedrigste Messlatte: Eine Moral, die nicht zum Kollaps einer Nation führt, ist besser als eine, die zum Kollaps führt. Eine höhere Messlatte: Eine Moral, die dazu führt, dass die meisten Menschen glücklich sind und niemand durch äußere Faktoren unglücklich ist, so eine Moral ist besser als eine, welche Menschen langfristig unglücklich macht. (Siehe auch mein Text: Ja, es gibt Kulturen, die sind »besser« als andere)

Ich sehe ein Über-Kreuz-Absurdum in der (jüngst durch Migration neu belebten) Debatte zwischen Orient und Okzident.

Erstens: Menschen aus Kulturen, deren Moralkonzepte im obigen Sinne schlecht sind, fliehen vor den Folgen ihrer Moralkonzepte (gesellschaftlicher Kollaps, Korruption, Krieg, Leid), nur um genau diese Moralkonzepte anderswo aufs Neue zu installieren.

Zweitens: Menschen aus Kulturen, deren Moralkonzepte im obigen Sinne gut sind, entwickeln Zweifel an eben diesen Konzepten und geben sie teilweise oder schrittweise ganz auf; ein Moralvakuum entsteht, in welches die unter erstens erwähnten, nachweislich gescheiterten Moralkonzepte eindringen.

Ein Bonmot: »Das Problem der Welt ist, dass die Dummen so selbstbewusst sind und die Klugen voller Selbstzweifel.« – Verwandt: »Der Klügere gibt nach, deshalb wird die Welt von Dummen regiert.« – Ich ahne, diese pfiffigen Redensarten könnten auf Gesellschaften und Moralkonzepte angewendet werden.

Prinzip Selbstzweifel

Ein Tennisarm ist, genau genommen, ein Tennis-Ellenbogen. Es geht um eine Reizung der Sehnenansätze. Die Ursache ist Überbeanspruchung.

Der Tennisarm hat etwas Tragisches: Ein Mensch trainiert sein Tennisspiel, bis er nicht mehr Tennis spielen kann. – Mit dem Selbstzweifel des Westens in Sachen Moral ist es ähnlich.

Die Moral des Westens unterscheidet sich von manchem anderen Moralkonzept unter anderem durch den geforderten Selbstzweifel auf allen Ebenen.

Wir hinterfragen uns. Wir hinterfragen das Hinterfragte, nur um das Ergebnis des Hinterfragens erneut zur Hinterfragung freizugeben.

Die großen Namen der Philosophie und Denkforschung, welche die ansonsten wenig permeable Trennwand zwischen Akademie und Popkultur durchdrangen und zu Alltagsbegriffen wurden, etwa Descartes oder Popper, waren Lehrer des Hinterfragens. – Auch in der Religion fällt es auf: Der im Westen populärste Lehrer aus dem Osten ist Buddha Shakyamuni. Er lehrte, alles zu hinterfragen – inklusive seiner eigenen Lehre. (Doch er gab auch ein Kriterium zur Hinterfragung: Ob es heilsam sei! – siehe Kalama Sutta A.3.66) Luther und Jesus, wurden, jeweils zu ihrer Zeit, aus ähnlichen Gründen von den Autoritäten bedrängt: Sie forderten den »kleinen« Menschen auf, selbst zu prüfen und seine Position selbst zu finden. Eine Frechheit! Luther gab ihnen dazu eine deutsche Bibel an die Hand. Jesus gab ihnen die Erläuterung der alten Schriften in griffigen Gleichnissen.

Die Moral des Westens wurde durch beständige Selbstüberprüfung stark und erfolgreich. Ein Soldat wird im Krieg zum Krieger. Das Eisen wird im Feuer zum Schwert. Und der Tennisspieler verfeinert im Training sein Spiel – womit wir gewissermaßen beim Entzündungsherd angelangt wären.

Der moralische Tennisarm

Zu viel Training kann dein Tennisspiel nicht nur verbessern, sondern auch beenden – für immer. Zu heißes Feuer lässt das Schwert schmelzen. Zu viel Kampf macht den Soldaten müde – wenn er überhaupt überlebt.

Wir sehen die anerkannten, ordensbehängten, von Steuern und Gebühren bezahlten Intellektuellen des Westens. Sie sind zunehmend zuerst gebildet in der Kunst monetisierbarer Empörung, alle weitere Bildung ist reduziertes Beiwerk, so wie ein Bäcker, der seine Schürze zusammenfaltet, nicht wirklich Schürzenzusammenfalter ist.

Wenn heutige Applaus-Intellektuelle von der Moral reden, fühlen wir uns an einen Waschbären erinnert, dem ein boshafter Zeitgenosse ein Stück Zucker in die Pfötchen gab; aus angeborener Gewohnheit will das Tier den Zucker waschen, doch kaum hat es den Zucker ins Wasser gehalten, ist dieser schon aufgelöst und verschwunden.

In Unternehmen wächst gelegentlich das »Not-invented-here-Syndrom«. Was nicht im eigenen Haus erfunden wurde, das wird aus genau dem Grund abgelehnt, zugunsten minderwertiger, aber »eigener« Lösungen.

Westliche Moralisten entwickeln immer wieder das Gegenteil zum »Not-invented-here«: Das »Invented-here-Syndrom« — Werte gelten als übel, wenn sie die eigenen sind. Man könnte es auch schlicht »westlicher Selbsthass« nennen.

Diese Ablehnung aller eigenen Moral führt zu zwei merkwürdigen Konsequenzen: Herr-der-Fliegen-Effekt und Re-Patriarchalisierung.

Herr-der-Fliegen-Effekt

Es gibt Menschen, die bezweifeln die Evolutionstheorie so: »Das Auge (oder ein anderes Organ) ist sehr komplex. Es ist nicht plausibel, dass ein solch komplexes Gebilde zufällig entsteht. Also ist die Evolutionstheorie falsch.«

Der Fehler in solcher Argumentation: »Evolution« bedeutet nicht, dass alles Leben ad hoc und zufällig entsteht, in seiner letzten, heutigen Komplexität, sondern dass es durch minimale Abwandlung aus einem früheren Zustand hervorgeht. Weder das Auge noch der Virus sind »einfach so« entstanden, beide sind Varianten eines anderen, früheren Zustandes.

Unsere Moral ist ebenfalls nicht »vom Himmel gefallen«. Unsere Moral basiert auf mehr als einem Faktor (Tradition, Angeborenes wie z.B. Kindchenschema, zeitweilige Notwendigkeit, Intoxikation et cetera).

Im Roman »Herr der Fliegen« finden sich Kinder auf einer Insel wieder und sind gezwungen, eine Gesellschaft von Null an aufzubauen – ohne staatstheoretische Vorbildung, aber mit viel kindlichem Gemüt. Der Roman verhandelt die Frage, welche Moral wohl Kinder entwickeln würden, wenn sie ganz allein auf sich gestellt wären. Man hört von Großmoralisten wie jenem Bochumer ja bei Gelegenheit wohlfeile Aufrufe wie »gebt den Kindern das Kommando!«, denn Kinder seien unverdorben, sie wüssten nicht, »was sie tun«. (Wer verdarb eigentlich die Erwachsenen? Was hat euch so verdorben?) – Wer je auf einem Schulhof die Aufsicht führte, wird Thesen von angeborener Friedfertigkeit kindlicher Seelen schnell auf Eis legen – zum Beispiel während er aus dem Kühlfach die Eispacks zum Kühlen blauer Augen und ramponierter Rippen holt.

Den westlichen Intellektuellen ist alle Moral zwischen den Fingern zerflossen wie der Zucker dem Waschbären. Man vergaß, dass die Moral, die man so leichtfertig dahingab, über Jahrhunderte mühsam und teils blutig erungen worden war und eben nicht von heute auf morgen ersetzt und neu gedacht werden kann. Man findet sich vor dem wilden Nichts wieder, wie die Kinder im »Herr der Fliegen«. Zugleich: Man muss schon einige Jahrhunderte weit zurückgehen, um eine Generation von tonangebenden Intellektuellen zu finden, die so wenig Weisheit in die Debatte einbrachte wie diese.

Die intellektuellen Idioten des Westens (der Ausdruck ist frei nach Nassim Nicholas Taleb) brennen die Hütten nieder, in denen sie geboren wurden. Erstaunt stellen sie fest, dass es ihnen bald auf den Kopf regnet! Also beschließen sie, schnell neue Hütten zu bauen, nur um wiederum festzustellen, dass sie vom Hüttenbau nichts verstehen. Derweil reisen Baumeister aus fernen Ländern ein und nutzen die Hilflosigkeit der lokalen intellektuellen Idioten; sie bauen auf der Asche der niedergebrannten guten, alten Häuser ihre eigenen, ganz anderen Gebäude. Genau diese Gebäude sind in jenen fernen Ländern zwar regelmäßig zusammengebrochen, tausende Unschuldige unter sich begrabend, doch unsere intellektuellen Idioten sind ganz wesentlich Letzeres und rufen also froh: »Freude, Freude! Habemus domum novum! Wir haben ein neues Haus! Die alten sind ja leider nicht mehr brauchbar.«

Re-Patriarchalisierung

Ich war einmal in Wien unterwegs, als Kind, und ich durfte an einem Sommertag in einem Restaurant bestellen, was und wie viel ich wollte. (Die Hintergrund-Geschichte ist so merkwürdig wie wahr, ich erzähle sie Ihnen einmal privat.)

Ich sah auf die Karte, und ich sah, dass man achtzehn Sorten Speiseeis anbot.

Ich wollte feststellen, was passieren würde, wenn ich einmal alle Eissorten bestellte, also bestellte ich einmal alle Eissorten. Ich bat um einen Eisbecher mit einer Kugel von jeder Sorte – außer Schokolade und Vanille. Diese beiden Sorten schienen mir zu langweilig zu sein, und ich empfand, dass so ein Ausschluss des Gewöhnlichen der Völlerei gewissen Stil verleihen könnte.

Der Kellner fragte nur zwei mal nach. Er notierte sich, was er sich notierte. Er nahm die übrigen Bestellungen auf und ging in Richtung Küche.

Es kam auch Eis, viel Eis, doch es war etwas anders als bestellt. Als ich die große Schüssel mit dem Speiseeis sah, schlussfolgerte ich sofort, was passiert sein musste: Der Kellner hatte notiert, vermute ich: »16 Kugeln, außer Schokolade, Vanille« – und in der Küche hatten sie das Wörtchen »außer« übersehen.

In der Schüssel waren acht Kugeln Vanille-Eis und acht Kugeln Schokoladen-Eis. Ich hatte, durch einen Kommunikationsfehler wohl, exakt das Gegenteil dessen bekommen, was ich bestellt hatte – womit wir bei modernen Meinungspromis und ihren gutmenschlichen Claqueuren wären.

Es ist die Zeit linker Absurditäten und derer Liste wäre lang. Eine Absurdität, die mich fast schielen lässt, ist folgender Ablauf: Linke und Berufsempörte sagen, dass sie »das Patriarchat« bekämpfen. Sie meinen damit tatsächlich allen guten Rat älterer Generationen; sie meinen nicht Marx oder Castro. Sie sagen, dass sie gegen die Vorherrschaft der CIS-Männer etc. kämpfen, doch sie hängen es regelmäßig daran auf, dass derzeit solche Männer (und viele Frauen) davor warnen, moralische Codices anderer Kulturen seien nicht wirklich »besser« als unsere, im obigen Sinne, eher im Gegenteil. Man entmachtet die Mahner, welche nicht selten »alte, weiße Männer« sind – und schafft damit den Raum für tatsächlich entmündigende und zugleich rabiate patriarchale Strukturen.

Durch die Bekämpfung eines phantasierten angeblichen Patriarchats, das in Wirklichkeit einfach ein Kampf gegen Erfahrung, Bildung und Vernunft war, wird der Boden für eine brutale Re-Patriarchalisierung des Alltags geschaffen. (Fragen Sie mal Lehrerinnen (nicht nur) in Brennpunkt-Schulen, die erklären Ihnen, was das praktisch bedeutet.)

Berliner Republik

Die Großkopferten, die im staatsnahen Fernsehen und auf den Baumleichen ihre wenig sportlichen Hintern beziehungsweise Gedanken breitsitzen, sie sind zugleich Symptom und Mitschuldige einer neuen Verwahrlosung.

Man könnte der Debatte heute postdemokratische oder dauerempörte Eigenschaften attestieren, und man läge nicht falsch.

Eine weitere Beschreibung trifft es noch genauer. Es ist schlicht Verwahrlosung – innere Verwahrlosung.

Jede Gesellschaft und jede Zeit haben Eigenschaften, die sie von anderen Zeiten und Gesellschaften unterscheiden. Wenn ich »Mut zur Größe und Lautstärke« sage, an welche Nation denken Sie? An welche Nation, wenn ich »fleißig, höflich und doch bei Gelegenheit gruselig verrückt« sage?

Die Berliner Republik, vertreten durch staatsnahe und auf Bestellung stets gern ein »Hurra« brüllende Medienschaffende, Künstler und Publizisten, sie gleitet täglich tiefer in die »innere Verwahrlosung«.

Verwahrlosung bedeutet beim Menschen, dass einer nicht mehr die gesellschaftlichen Mindeststandards erfüllt. Er stinkt, er weiß sich nicht zu benehmen, et cetera.

Als innere Verwahrlosung einer Gesellschaft könnte man den Zustand beschreiben, in welchem die vorherrschende Denk- und Handlungsweise das Überleben der Gesellschaft gefährdet. Deutschland bewegt sich auf einen solchen Zustand innerer Verwahrlosung zu.

Politik mit Alkohol

Gestern, am Sonntag den 27. Mai 2018, war in Berlin großer Demonstrationstag. Die AfD, größte Oppositionspartei im Bundestag, hatte zur Demonstration aufgerufen. Regierungsparteien und andere Organe riefen, teils alle Neutralitätspflicht schon längst abgelegt habend, zu Gegendemonstrationen auf. Es wurde laute Tanzmusik aufgespielt. Es wurde reichlich Alkohol konsumiert. SPD, ARD & Co. labelten alle Betrunkenen und Tanzenden gleich mit zu Demonstranten um, konnten so jubeln: »5000 AfD-Anhänger haben in #Berlin demonstriert. An den Gegendemos nahmen laut Polizei mindestens 25.000 Menschen teil« (@tagesschau, 27.5.2018)

Egal, was man von der AfD hält – und ich habe reichlich Kritisches zu ihr zu sagen, zur Gauland-Rhetorik, von Fällen wie Gedeon ganz zu schweigen – Fakt bleibt: Wer für die AfD auf die Straße geht, riskiert seinen Job und damit seine Existenz, er riskiert, dass linke Schläger ihn und seine Familie daheim attackieren. Wer gegen die AfD protestiert, der geht auf eine Party mit Musik und diversen Rauschmitteln, er darf sich in »gutem Hass« ausleben und manche können sogar vom Hass auf die AfD komfortabel leben. Die Zahlen gleichwertig aufzurechnen, wie die Tagesschau es tut, ist wenig ehrlich – hat jemand »Staatsfunk« gesagt?

Anderswo ging die Realität weiter. In Dresden etwa attackierten 50 Flüchtlinge die Polizei. (welt.de, 27.5.2018) – Die SPD übernimmt derweil fast wörtlich Positionen der AfD (»Wir können nicht alle bei uns aufnehmen«), vollzieht also eine 180°-Kehrtwende, die in direktem Widerspruch zur Keine Obergrenze-Doktrin steht, aber wohl der Umfragenpanik geschuldet und entsprechend glaubwürdig ist – während sie in Berlin gegen die AfD demonstriert, deren Formulierungen sie in blanker Verzweiflung zu kopieren versucht.

Worte gelten denen nichts mehr. Zusagen und Positionen gelten denen nichts mehr. Ja, wer heute auch nur die Durchsetzung des Rechts verlangt, dem wird fast vorgeworfen, kein Demokrat zu sein. Eine bekannte Stiftung freut sich über Hass im Kampf gegen Hass. Sie erreichen exakt das, was Orwell vorhersagte: Propaganda löst die abgrenzende Kraft der Worte auf. Krieg ist Frieden, Propaganda ist Wahrheit, Hass ist Liebe. Alles bedeutet sein Gegenteil, und damit nichts mehr – nur das Geld, das in die Kassen der an den Zuständen gut verdienenden Personen und Firmen fließt, das bedeutet nach wie vor dasselbe. 1 Million Franken bedeutet 1 Million Franken, da ändert sich nichts.

Das Auflösen der Begriffe, das undurchdachte Niederreißen alter Moral, die Beliebigkeit der Positionen und die schamlose Lüge der Institute, die logische Inkohärenz und, vor allem, die angsteinflößende Lust der Eliten an der Selbstaufgabe des Westens, all dies lässt sich zusammenfassen als innere Verwahrlosung.

Ordnung

Wenn ein Mensch verwahrlost, hilft man ihm, seine Dinge in Ordnung zu bringen. Kämm dich! Wasch dich! Zieh dich sauber an! Plane, was wichtig ist, und dann arbeite es ab. (Sie kennen ja mein Motto: »Ordne deine Kreise!«)

Für eine Nation gilt Ähnliches: Beschließt, was euch wirklich wichtig ist, und was ihr zum Überleben braucht. Stärkt den Rechtsstaat, beschützt eure Grenzen und gebt euren Bürgern täglich Sicherheit. Freiheit braucht Sicherheit, so wie ein Zuhause ein Dach, Mauern und eine abschließbare Tür braucht. Stellt Regeln auf und setzt sie durch! Beginnt mit der Regierung und setzt durch, dass die Regierung sich an Gesetz und Ordnung hält – eine Regierung, die sich nicht an die Gesetze des Landes hält, deren Behörden gegen die Gesetze verstoßen, was ist »innere Verwahrlosung«, wenn nicht das? Die Alternative zur inneren Verwahrlosung ist die innere Ordnung.

Der unselige politisch-mediale Komplex befeuert eine pseudo-moralisch verbrämte Unordnung, sprich innere Verwahrlosung. Sie kokeln am Haus, in dem wir alle wohnen. Sie brennen die Mauern nieder und beschimpfen die Freiwilligen, die in Panik die Flammen wieder zu löschen versuchen.

Ich versuche immer wieder, die offensichtliche Spaltung der Gesellschaft zu kartographieren, stets mit dem Ziel, sie besser zu verstehen. Ein Versuch ist also dieser: Jene, welche Gefallen gefunden haben an der Verwahrlosung (die »politischen Messies«, wenn Sie so wollen), stehen gegen jene, welche Ordnung und damit ein Zuhause schaffen und erhalten möchten.

Die einen sagen, »dies ist meine Heimat«, die anderen brüllen »Deutschland, verrecke«. Das eine ist Ordnung, das andere ist Verwahrlosung.

Selbstverständlich ist Verwahrlosung kein nachhaltiger Zustand. Es bröckelt ja bereits, selbst eine moralisch flexible Partei wie die SPD flirtet seit einigen Tagen mit der Vernunft. Früher oder später sehnt sich auch der schäumendste Selbsthasser nach Ordnung. (Auch Antifa-Terroristen rufen jammernd nach der Polizei, wenn sie selbst es sind, die angegriffen werden.)

Die Überlebensfrage ist doch: Werden diejenigen, die nach Leibeskräften die täglich neuen Feuer wieder löschen, durchhalten, bis die Wut und innere Verwahrlosung der Tonangeber abgeklungen sind?

Wir wollen es hoffen – doch dürfen wir es auch? Werden wir durchhalten und das Haus vorm Niederbrennen bewahren?

Wir haben nicht die Zeit, darüber zu grübeln. Noch steht das Haus, auch wenn die Zündler in Medien und Politik hier und da Feuer legen. Einige der Zündler scheinen bereits mit dem Zündeln etwas nachlassen zu wollen.

Die innere Verwahrlosung der Meinungsmacher ist ein Feuer, das sie an das gemeinsame Haus legen. Unsere Argumente sind Wasser, das die Flammen wieder auslöscht.

Wir wollen keine Strafe an den Zündlern, nicht mal Häme im Nachhinein. Sie wohnen ja im gleichen Haus! Wir wollen einfach nur, dass es aufhört, dass diese Leute mit dem Zündeln aufhören. Bis dahin tragen wir Wasser, tragen wir Argumente gegen den Wahnsinn. Die oben erwähnte, von der Regierung reich geförderte Stiftung, hat gestern gefeiert, dass »ganz Berlin« angeblich eine Oppositionspartei »hasst«, und das unter dem Motto »StoppdenHass«. Das und so sind wir nicht. »Hass hat noch nie den Hass besiegt«, sagt der Buddha. Wir wollen einfach nur, dass sie weniger zündeln am Haus, in dem wir gemeinsam leben.

Lassen Sie uns weiter argumentieren! Wir sehen ja bereits Erfolge! Die Flammen der inneren Verwahrlosung züngeln noch immer, doch sie werden kleiner. Wir dürfen hoffen!

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