Dushan-Wegner

05.07.2018

Der »Eindruck« von Recht und Ordnung?!

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild von Derek Thomson
Faustregel: Wenn Merkel von Gefühlen oder Eindrücken redet, will sie den Zuhörer vereimern. – Soweit so bekannt. Das Problem ist, dass sie jetzt sogar vom »Eindruck« von Recht und Ordnung redet! Man treibt Härtetheater, doch in Wahrheit geht es weiter.
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Ob Merkel am Abend mit einem Weißwein in der Hand vorm Fernseher sitzt und sich fragt, wie oft man sie noch mit ihren Rhetorik-Tricks durchkommen lässt? Jedes normale Land, so muss sie doch denken, hätte sie längst aus dem Amt gejagt, aber nein, die Deutschen, die lassen sich so unvorstellbar einfach vereimern.

Merkel nutzt seit Jahren einen einzigen und immer denselben Psychotrick, um ausreichend Wahlvolk zu mobilisieren. Vergessen wir nicht: Ein guter Teil der Bevölkerung lebt noch immer de facto offline oder bezieht Nachrichten nur aus der öffentlich rechtlichen Hurra-Blase und von Facebook, was eine ganz spezielle Art der Filterblase darstellt.

Ich habe diesen einen Trick die Reductio ad Emotum genannt, siehe z.B. tichyseinblick.de, 24.5.2016. Es bedeutet, ein Problem in der Kommunikation auf das Reden über die ausgelösten Gefühle zu reduzieren.

Wenn man mit kleinen Kindern redet, kann das ja nützlich sein! Wenn ein kleines Kind weint, weil es sich das Knie aufgerissen hat, dann sagt man: Das tut dir jetzt schlimm weh und du musst weinen! Das ist okay, wenn du weinst, mit großen Tränen! Indem man übers Weinen geredet hat, ist das Thema nicht mehr das aufgerissene Knie, sondern das Weinen selbst.

Was wäre aber, wenn man es selbst war, der das Kind geschubst hat, so dass es hinfiel und sich das Knie aufschlug? Wären solche Bekundungen von Mitgefühl noch ethisch zu rechtfertigen? Ich habe Zweifel.

Es ist ja schon länger so, dass Merkel nach großen Einschnitten nicht das Problem und die Ursache debattiert, sondern die Reaktion der Wähler. Zu viele Wähler merkten nicht, dass sie vereimert wurden. Nach Fukushima oder mitten im Börsenbeben war es noch halbwegs, mit Wohlwollen und Stabilitätswille, vertretbar, dass man darüber sprach, wie sich die Menschen so fühlen. (Dass man daraus etwa bei Fukushima komplett Irrationales ableitete, das ist ein anderes Thema.) Aus dem Gefühl aber lässt sich beliebiges Handeln rechtfertigen.

Im Kontext der großen Merkelkrise, merken es endlich auch Leitmedien, wie zentral dieser Trick bei Merkel sein kann.

Die Welt zitiert Merkel, die im Bundestag sagte (welt.de, 4.7.2018):

Es muss mehr Ordnung in alle Formen von Migration kommen, damit Menschen den Eindruck haben, Recht und Ordnung werden durchgesetzt.

Ja, sie sagt, dass Menschen den Eindruck haben, sollen, dass Recht und Ordnung durchgesetzt werden.

Merkel, so heißt es oft, sei eine nüchterne und sachliche Politikerin. Bei Anne Will sagte Merkel dereinst, dass sie einen Plan nur geben könne, wenn sie denn einen habe. Sprich: Sie hat keinen. (Es fiel bereits 2015 auf, siehe achgut.com, 8.10.2015!)

Jetzt hat sie wohl implizit zugegeben, was doch die Krähen vom Dach des Kanzleramts schon lange rufen: Merkel scheint es aufgegeben zu haben, dass der Rechtsstaat in Deutschland überall wiederhergestellt wird. An diesem Punkt will Merkel nur noch den Eindruck erwecken, dass Recht und Ordnung ist. Dürfen wir an dieser Stelle in Panik verfallen?!

Die Menschen müssen den Eindruck haben, das Gefühl haben, dass wieder Recht und Ordnung herrscht, sagt sie. Merkels Transitzentren sind der Push-Up-Bra der Asylpolitik (oder von mir aus die Socke in der Hose): Es soll der positive Eindruck erweckt werden, dass etwas da ist, was in Wahrheit nicht da ist. Merkel hätte schon längst zurücktreten müssen. Merkel müsste jetzt wieder zurücktreten. Sie wird nicht zurücktreten. ARD und ZDF werden Merkel bis zum bitteren Ende verkaufen, mit ein paar Mini-Stänkereinen dazwischen, um etwas Luft vom Kessel zu lassen. Man hat den Eindruck, Merkel könnte öffentlich deutsches Geld verschenken, die deutsche Flagge wegwerfen und Deutschsein auf bloße Anwesenheit reduzieren, und ihre Getreuen würden drüber hinwegsehen – Hauptsache, sie redet vom großen Gefühl!

Ein Kompromiss wurde vereinbart, mit Transitzentren (für die noch Orte gesucht werden) und Abkommen (zwecks derer noch Druck auf die ganz doll befreundeten Nachbarstaaten ausgeübt wird).

Merkel erklärt, dass in diesen Transitzentren die illegal eingereisten Neubürger höchstens 48 Stunden festgehalten werden können. Wenn dann nicht entschieden ist, wohin sie zurückgewiesen werden, dann kommen sie ins reguläre Verfahren. Dass Grundgesetz wolle es so. Der Laie nickt, doch der Fachmann wundert sich.

Das 48-Stunden-Verfahren gibt es bereits. Es ist in §18a Asylverfahrensgesetz geregelt. Es ist vor allem für Asylsuchende an Flughäfen gedacht und soll dazu dienen, innerhalb von 48 Stunden zu entscheiden, ob ein Mensch aus offensichtlichen Gründen schnell wieder abgeschoben werden soll.

Auf eine Anfrage der Partei Die Linke hin sagte die Regierung:

273 Asylsuchende waren im Jahr 2016 von Asyl-Flughafenverfahren betroffen. Im Ergebnis wurde 68 Schutzsuchenden nach einer Ablehnung als »offensichtlich unbegründet« die Einreise im Rechtssinne verweigert – wie viele von ihnen tatsächlich ausreisten oder abgeschoben wurden oder in Deutschland verbleiben
konnten, ist nicht bekannt (Bundestagsdrucksache 18/11262).

Bundestagsdrucksache 19/2086

Die Anfragen 17/8095 aus 2011 zu Zahlen von 2010 ergaben ein ähnliches Verhältnis. Die weitaus meisten Fälle im Flughafenverfahren werden als Nicht-schnell-zu-entscheiden eingeordnet, womit der Einreisende ins Verfahren gelangt. Die wenigen, bei denen offensichtlich keine Gründe vorliegen, haben Möglichkeit auf Rechtsmittel, welche das Verfahren auf knapp drei Wochen ausdehnen können.

Was hindert einen illegal Eingereisten, einfach wie gehabt den Pass wegzuwerfen, jede Kooperation zu verweigern und 2 Tage lang den Mund zu halten? Kann ein Amt über jemanden entscheiden, der einfach nur schweigt? Ist Nicht-Kooperation ein Ausschlusskriterium, oder kommt man dadurch ins reguläre Verfahren, das sich über viele Jahre und Entscheidungswege ziehen kann? Was wären Transitzentren wert, wenn sie unterlaufen werden könnten, indem man nicht kooperiert?

Es scheint wenig mehr als Härtetheater zu sein: Merkel scheint nichts ändern zu wollen, für den wilden Horst aber ein wenig Härte-Theater zu spielen, damit er ihr nicht die Regierung kaputtmacht, bevor sie nicht im Hintergrund die Gespräche zu ihrer nächsten Koalition abgeschlossen hat.

Man fragt sich, ganz naiv und rein hypothetisch: Will Merkel am Ende gar nicht, dass der Zuzug via Österreich gebremst wird? Ist das alles etwa ein Manöver, um den schlingernden Seehofer komplett aus dem Gleichgewicht zu bringen? Nein. Oder doch? Würde ein Mensch, der so viel über Gefühle redet wie Merkel, sich so eine Gemeinheit ausdenken? (Ja, diese letzten Fragen sind ironisch gemeint. Sorry.)

Ja, es kann sein, dass auch der Nicht-Kooperations-Trick irgendwann den qualitätsreichsten der Qualitätsjournalisten auffällt – und dann wird der Trick eben gestopft werden und durch ein neues, weit offenes Scheunentor ersetzt. So wie sie heute, am 5. Juli 2018, aufgestellt sind (es ändert sich ja täglich), scheinen die Transitzentren wenig mehr als ein Zwischenpuffer auf der Reise nach Deutschland zu sein. SPD und andere machen Merkel Vorwürfe, die Transitzentren seien schlimme Lager mit Stacheldraht, doch solche Befürchtungen scheinen geradezu gewollt. Es ist wohl eher Härtetheater. Kohl hat Merkel gelehrt, die Realität auszusitzen. Merkel hat gelernt, mit vielen Worten positive Veränderung zu verhindern. Wenn die Menschen gar nicht mehr wollen, dann rede über ihr Gefühl und wie du es verstehen kannst – und ändere dennoch nichts. Der gute Deutsche ist erstaunlich leidensfähig, Hauptsache du redest von seinem Gefühl.

Faustregel: Wenn Merkel von Gefühlen oder Eindrücken redet, will sie den Zuhörer vereimern.

Merkel ist auch bei der von ihr mit-verursachten afrikanisch-europäischen Migrationskrise an dem Punkt angekommen, dass sie von Eindrücken statt von Fakten redet. Die Leute sollen das Gefühl haben, den Eindruck, dass Ordnung herrscht.

Der Science-Fiction-Fan fragt sich: Wenn es eine Pille gäbe, die dem Bürger selbst im größten Chaos das Gefühl geben könnte, dass Ordnung herrscht… würde sie das ganze Jahr über gratis verteilt oder nur in den Wochen vor Wahlen? – Ja, es ist absurd. Es gibt wenig, was gruseliger ist, als Absurdität mit Macht und Befugnissen.

Ich weiß nicht, ob Merkel mit einem Weißwein in der Hand über die Doofheit ihrer Getreuen grinst, oder ob sie es alles ernst meint. Es spielt keine Rolle. Es ist genug. Wie groß soll der Schaden noch werden? Deutschland sollte sich nicht länger von Merkel vereimern lassen.

Weiterschreiben, Wegner!

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