Dushan-Wegner

25.03.2018

Hacker hacken Hacker – und wer ist der Gehackte?

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Bild von Vinicius Amano
Wenn von »Hackern« geraunt wird, kann es gut sein, dass wir, die Leser, es sind, die gehacked werden sollen. Das Wort »hacken« kann Verschiedenes bedeuten, und das ist wichtig!
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Wenn der brave Bundesbürger von Hackern hört, fällt ihm gleich vor lauter Schrecken das Hackfleisch von der Gabel und die Gartenhacke aus der Hand, und er schlägt die Hacken zusammen, wichtige Weisung abwartend ob des weiteren Vorgehens wegen der russischen Russenhacker aus dem Russenland.

Was sich nicht alles »häkn« lässt! Autos, Ministerien, Krankenhäuser und sogar der menschliche Geist!

In letzter Zeit hören wir öfter, dass Wahlen »gehacked« worden sein sollen – und spätestens das ist der Moment, genauer hinzuschauen, wovon eigentlich geredet wird.

»Hacking« und »Hacken«, also das englische Wort, welches »häkn« ausgesprochen wird, hat (mindestens) zwei Bedeutungen.

Wikipedia leitet den Artikel zu »Hack« durchaus präzise ein:

Hack [hæk] (englisch für technischer Kniff) hat mehrere Bedeutungen und kann für eine Funktionserweiterung oder Problemlösung stehen oder dafür, dass das Ziel auf eine ungewöhnliche Weise erreicht wird; oft im Kontext einer Zweckentfremdung.
de.wikipedia.org/wiki/Hack, Stand 24.3.2018

Der Wikipedia-Artikel erarbeitet in den ersten Absätzen verschiedene mögliche Bedeutungen. Ich möchte hier zwei davon herausgreifen.

Ein »Hack« ist eine …

  1. (technisch) geschickte Problemlösung
  2. illegale Manipulation von Computersystemen

»Lifehacking« etwa ist ein neumodisches Wort für die gute alte Selbsthilfe. Der aktuelle Top-Artikel auf lifehack.org trägt übersetzt den Titel »Die endgültige Anleitung um mit Arbeits-Stress klarzukommen (einfach und effektiv)«. Bei lifehacker.com wird derweil etwa erläutert, warum Donuts angeblich gesünder sind als Muffins.

Es gibt sie natürlich auch, jene »dunklen« Hacker. (Sie tragen beim Hacken schwarze Skimasken und haben ihre Kamera überklebt, ähnlich wie Zuckerberg.) Sie kommunizieren in den dunklen Ecken des Internets, und ich würde sie nicht verlinken, selbst wenn ich wüsste, wo das sein soll – oder einfach nur »hacker groups« googeln könnte. (Kluge Regierungen versuchen übrigens, die besten dieser Hacker einzustellen.) Einzelne Hacker wie Kevin Mitnick haben es zur Berühmtheit über Computerkreise hinaus geschafft. Beim Lesen von Mitnicks Memoiren Ghost in the Wires wird übrigens deutlich, dass Mitnick schon immer technisches und psychologisches Hacking verzahnt verwendet – womit wir bei den »Wahlhacks« wären.

Wahlen hacken

Der Satz »X hat die Wahlen gehackt« kann (mindestens) zwei Dinge bedeuten:

  1. X hat etwas Schlaues, aber vollständig Legales oder sogar Angesehenes und ethisch Wertvolles getan, was den Ausgang von Wahlen beeinflusste.
  2. X hat den Verlauf oder die Auszählung von Wahlen so verändert, dass ein anderes Ergebnis gilt als das, das dem Wählerwillen entspricht.

Diese Doppeldeutung von »hacking« führt zu interessanten sprachlichen Möglichkeiten. Der Satz »X hat von seinem Computer aus die Wahlen gehacked« kann zum Beispiel bedeuten:

  1. X ist in Wahlcomputer eingebrochen und hat sie zugunsten eines Kandidaten manipuliert.
  2. X hat mit Hilfe von MS-Word ein Dokument mit wirksamen Talking Points geschrieben.

Ich habe den Verdacht, dass manche Berichterstattung über angebliches »Hacken von Wahlen« nicht nur unbeabsichtigt solche Bedeutungsmöglichkeiten vermischt.

Mit 1 Klick die Weltgeschichte verändern

Am 19. März 2016 stürzte in Südrussland eine Boeing 737-800 ab (62 Tote). In Istanbul explodierte die Bombe eines IS-Selbstmordattentäters (5 Tote, 39 Verletzte). Ein Ereignis aber wurde nicht in den Nachrichten berichtet, vor allem deshalb, weil in dem Moment niemandem außer ein paar Hackern bewusst war, dass es passierte.

Am 19. März 2016, einem kühlen Samstag, erhielt Hillary Clintons Wahlkampfmanager, John Podesta, eine »Phishing-Email«. In dieser speziellen E-Mail war ein via Bitly codierter Link, der ihn aufforderte, sein Passwort zurückzusetzen.

Wer etwas Internet-Erfahrung hat, wird solche E-Mails ignorieren, wenn er sie nicht selbst angefordert hat. Inzwischen ist allgemein bekannt, wie nachlässig und inkompetent im Clinton-Umfeld das Thema E-Mail-Sicherheit behandelt wurde. Hier wurde es ihnen zum Verhängnis. Podesta schöpfte keinen Verdacht ob dieses bekannten Tricks. Podesta klickte drauf. (2 mal, wie die Bitly-Statistiken belegen.) Mit diesem einen dummen Klick verändert Podesta womöglich den Lauf der Geschichte.

Am 7. Oktober 2016 wurden von interessierten Medien alte Tapes lanciert, auf denen Trump in 2005 irgendwas Unanständiges über Frauen sagte. Zufälligerweise wenige Stunden später veröffentlichte WikiLeaks die ersten Mails aus dem Podesta-Hack.

Es war aber nicht der einzige Hack! Schon im Juli 2016 waren E-Mails der US-Demokraten geleaked. Auch da wurden offiziell russische Hacker als Quelle vermutet, einzelne Experten haben aber die These eines »Inside-Jobs« aufgestellt, also eines Daten-Leaks von innen heraus. Der Podesta-Hack war im reinen Informationsgehalt nicht so »saftig« gewesen wie die DNC-Leaks zuvor, schlugen aber zum einen in den letzten Monat des Wahlkampfs ein, und zum anderen zeigten sie viel über zwischenmenschliche Dynamiken im Clinton-Team, wo es nicht immer nur respektvoll gegenüber der Chefin zuging, und solche Unappetitlichkeiten können noch wahlrelevanter sein als reine politische Informationen.

Während Clinton-nahe Presse sich auf die bösen Russen kaprizierte und so vom Inhalt ablenkte, und Clinton-kritische Stimmen entsprechend nach Hinweisen auf Clintons Fehler suchten, konnte man fast übersehen, wie viele Meta-Ebenen dieser Fall hat!

Es zeichnete sich ab, dass die US-Demokraten ihre Vorwahlen zugunsten Clintons und gegen Bernie manipuliert hatten.

In anderen Worten: Die Hacker haben die Mails der US-Demokraten gehacked, und in den Mails schien die Welt u.a. zu erfahren, dass Clintons Leute die Vorwahlen gehacked hatten, in mind. 1 Fall sogar den Wahlkampf (Clinton-Team bekam Frage von CNN/Brazile vorab), und indem die Hacker nun Clintons Hacks publizierten, hackten sie selbst damit die Wahlen.

Hacker haben die Wahl gehackt, indem sie die Clinton-Mails hackten, und der Welt u.a. zeigten, wie Clinton die Vorwahlen gehackt hatte. – In Anlehnung an den Film Inception möchte man ausrufen: Hackception!

Hacken 1/ Hacken 2

Wenn alles Y ist, wird die Aussage, »X ist Y« uninteressant. Wenn alles hacken ist, ist nichts hacken. Wir müssen genauer formulieren. Wir müssen sagen, was ist, was nicht ist – und was davon wir beweisen können.

Das Wort »hacken« kann bedeuten: Illegal in Computer-Netzwerke einbrechen. »Hacken« kann aber auch bedeuten: Mit Geschick und Knowhow etwas tun.

In 2008 hat etwa Al Gore zu »Hack the Debate« aufgerufen, im Kontext seines TV-Senders Current TV. (Es ging um Berichterstattung via Twitter.) Mittlerweile wurde Current TV an Al Jaazera verkauft und »Hack the Debate« würde als Titel wohl nicht mehr ganz so leicht von der Zunge gehen.

Wenn wir also im Fernsehen von »Wahlhacks« hören oder online davon lesen, sollten wir immer einige Fragen stellen:

  1. Meinen Sie legale Tricks (die Ihnen nicht passen) oder illegale Einbrüche?
  2. Falls Sie Illegales insinuieren, können Sie es beweisen? (»X ist sich sicher« ist kein Beweis, im Gegenteil.)
  3. Reden Sie von Informationen, die verbreitet werden, oder z.B. von manipulierten Wahlautomaten? (Zwei sehr verschiedene Sachen, beides aber ein »Hack«.)
  4. Kann es sein, dass die Thematisierung des Hackens ablenken soll von dem, was via Hack herausgekommen ist?
  5. Würden Sie dasselbe auch »Hack« nennen, wenn die andere politische Seite es täte?

Mit anderen Worten: Wenn jemand uns von »Hacks« erzählt, sollten wir nachfragen, was genau er damit meint und ob er es belegen kann. Wenn es unklar ist, was der Journalist mit »Hacken« meint, und wenn seine Beschuldigungen ohne Beweis immer wieder in dieselbe Richtung gehen, kann es gut sein, dass das Raunen von Hackern vielmehr uns, die Wähler, Zuschauer und Leser, hacken will.

Weiterschreiben, Wegner!

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