Dushan-Wegner

24.03.2020

Die Sonne geht auf (oder auch nicht)

von Dushan Wegner, Lesezeit 17 Minuten, Foto von Kelly Sikkema
»Im Vergleich zu anderen Krankheiten ist das Virus relativ harmlos.« tagesschau.de, 3.2.2020. – Falschnachrichten können Leben kosten. Wie gehen wir mit Argumenten gegen die COVID-19-Maßnahmen um, die wir im Internet lesen?
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Immer wieder geht die Sonne auf, so sang Udo Jürgens (1934-2014), und ich berufe mich gern darauf (etwa in »Und jetzt alle! (Was ist unser Refrain?)«, sowie im fast schon hoffnungsvollen Essay »Was wirst du am Tag nach Merkel tun?«). – Ein Philosoph namens David Hume (1711-1776), den die Pariser Intellektuellen ob seines gütigen Charmes liebevoll »Le Bon David« nannten, widersprach vorab Herrn Jürgens, und er sagte:

Dass die Sonne morgen nicht aufgehen werde, ist ein ebenso verständlicher und widerspruchsfreier Satz als die Behauptung: dass sie aufgehen werde.
(David Hume, Untersuchung über den menschlichen Verstand)

Dass es gar nicht zwingend so sein muss, dass die Sonne morgen wieder aufgeht, das ist ein Gedanke aus dem Induktionsproblem, welches nach eben diesem David Hume auch »Humesches Problem« genannt wird (siehe Wikipedia). Im Kern des Induktionsproblems steht die Frage, mit welcher Berechtigung man von Einzelfällen auf eine allgemein gültige Regel schließen darf.

Wenn wir einen Schwan sehen, und der ist weiß, und dann noch einen, und der ist auch weiß – ab wie vielen beobachteten weißen Schwänen dürfen wir mit Berechtigung annehmen, dass Schwäne eben weiß sind?

Können Gangs der Bundeswehr helfen?

Durch die Coronakrise wurden weltweit behördliche Maßnahmen »möglich« – viele, auch ich, sagen: notwendig – über die selbst Nordkorea und Ingsoc sich einig gewesen wären: »Jetzt übertreibt ihr es aber!«

Taiwan hat »elektrische Zäune« errichtet, und die Regierung verfolgt, wo sich wer bewegt (nypost.com, 24.3.2020) – und Bewohner berichten, dass wenn das Telefon-Akku leer läuft und also nicht mehr ortbar ist, innerhalb von weniger als einer Stunde erst Behörden versuchen, einen zu kontaktieren und dann die Polizei an die Tür klopft (@MiloHsieh, 22.3.2020).

In den USA droht Donald Trump mit dem »Defense Production Act«, einem Bundesgesetz von 1950, wonach der Präsident die Fabriken verpflichten kann, für die Verteidigung des Landes notwendige Güter herzustellen – und lobt die Unternehmen, dass sie auch ohne die Anwendung des Gesetzes ihren Anteil beitragen (@realDonaldTrump, 24.3.2020)

Nicht nur in Bezug auf Migrationspolitik scheint der Rechtsstaat stellenweise aufgehoben zu werden: Die ersten deutschen Familien werden laut eigenen Berichten aus ihren Eigentumswohnungen und damit dem Land geworfen (und nach medial wirksamem Protest gnädigerweise wieder in ihre eigene Wohnung gelassen; bild.de, 22.3.2020), während etwa Iraner, Ägypter (focus.de, 21.3.2020) oder Asylbewerber weiterhin einreisen dürfen, und wenn sie sich »Flüchtling« nennen, gleich gratis getestet werden, anders als ein hustender Deutscher (siehe Essay vom »Wir sind da nicht zuständig…«).

Während Staaten wie Tschechien oder Polen teils rabiat zum Wohl ihres eigenen Volkes zu handeln scheinen und mal eben aus China kommende Masken, die für Italien bestimmt waren, für die eigenen Krankenhäuser konfisziert haben sollen (vergleiche etwa heise.de, 23.3.2020), hat laut aktuellen Berichten (wenn auch des Relotiusmagazins, spiegel.de, 24.3.2020) die Bundeswehr mal eben in Kenia sechs Millionen für deutsche Ärzte bestimmten Masken verloren – in Kenia! Wenn bloß die Bundeswehr jemanden hätte, der bewaffnet auf Dinge aufpassen kann – vielleicht kann die Bundeswehr ja bei den Gangs in Rio de Janeiro nachfragen, die sollen nämlich angekündigt haben, selbst zumindest in der Nacht die Ausgangssperren durchzusetzen, wenn und weil die Regierung angeblich darin versagt (via globo.com, 23.3.2020).

Die deutsche Reaktion auf das Virus bestätigt in manchen Bürgern eine Befürchtung, die nicht erst seit dieser Krise durchs Land wabert: Deutschland ist eine Klassengesellschaft – ganz oben die Funktionäre, die sich testen lassen können, so oft sie wollen – ganz unten eben die, auf deren Rücken das alles steht – noch steht, die erfolglos um Tests und Masken betteln müssen.

Die späte 180-Grad-Wende

Die Einschränkungen von Grundrechten, welche die Bürger verschiedenster Länder im Namen des Kampfes gegen das Coronavirus über sich ergehen lassen (müssen/sollen), haben kein Beispiel in der jüngeren Geschichte, zumindest seit dem Ende des zweiten Weltkriegs.

Es ist gut und klug und wichtig, dass wir die Notwendigkeit der Maßnahmen abklopfen, dass wir »denen da oben« eben nicht sofort und blind trauen, sonst nicht und jetzt gewiss nicht.

Nicht nur 2015 haben wir gesehen, dass »die da oben« nicht grundsätzlich unser Wohl zum Maßstab ihres Handelns zu nehmen scheinen. Und auch 2020 galt: Wer sich auf die Beschwichtigungen des verfluchten deutschen Staatsfunks verließ, setzte sich, seine Umgebung und das gesamte Land einem unnötigen Risiko aus. Kein Zweifel: Es kann dein Leben retten, erst einmal zu prüfen, was »die da oben« sagen.

Was sind also die Argumente gegen die späte 180-Grad-Wende von Regierung und Staatsfunk?

Ich will einige der Kritikpunkte betrachten, welche gegen die radikalen Maßnahmen sprechen, die wir heute erleben und/oder bald erleben werden. Ich erlaube mir, jeweils direkt meine »Gegengegenargumente« anzubringen. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, doch ich versichere Ihnen, nichts (bewusst) ausgelassen zu haben, nur weil ich kein Gegengegenargument gehabt hätte. Sie haben mein Ehrenwort, ich wiederhole, mein … – pardon, da ging der Sarkasmus mit mir durch. Dies passiert mir wohl häufiger, im Angesicht der Apokalypse!

»Aber Influenza!«

Das häufigste Gegenargument lautet, dass Covid-19 doch zu viel weniger Toten führen würde als die »gewöhnliche« Influenza. Diese potentiell tödliche Falschnachricht wurde etwa vom deutschen Staatsfunk mit Nachdruck verbreitet, weshalb sie noch immer gefährlich viele deutsche Bürger glauben:

Im Vergleich zu anderen Krankheiten ist das Virus relativ harmlos. […] Nicht nur der Vergleich mit Hundertausenden Grippetoten hilft, die Gefährlichkeit des Coronavirus einzuordnen. Auch andere Erkrankungen haben drastischere Auswirkungen.
(sic!, tagesschau.de, 3.2.2020/archiviert)

Eine Variante dieser Argumentation zeigt auf, wie viele Menschen an anderen Ursachen sterben, etwa an Autounfällen. Jährlich sterben etwas über dreitausend Menschen in Deutschland an Autounfällen – verbieten wir deshalb das Autofahren.

Das Gegengegenargument könnte man, wieder als Metapher, so ausrichten: Wenn an einem Tag zwei Menschen im Auto sterben würden, innerhalb einer Woche dann vier, dann acht, dann 16, dann 32, dann 64, dann 128, und so fort, immer doppelt so viel, dann würden wir definitiv das Autofahren verbieten.

Ja, es stimmt, dass in jedem Land und in jeder ausreichend großen Gruppe von Menschen im Verlauf der Zeit Menschen sterben werden. Das eigentliche Problem ist hier tatsächlich nicht, so zynisch das klingt, dass überhaupt ein paar Menschen dran sterben, sondern dass die Infektion-, Erkrankungs- und Todeszahlen exponentiell in die Höhe gehen können (während übrigens die Zahlen der Verkehrstoten von Jahr zu Jahr sinken, siehe Wikipedia).

Um einen Experten von der »Front« zu zitieren:

In Deutschland sind bisher ca. 140 Personen an #COVIDー19 verstorben. Die Zahlen verdoppeln sich aber alle 3 Tage. Wenn die Entwicklung nicht verlangsamt wird, werden es bis Ostern >9 Tsd Tote sein.

(@BotaIntensiv, 24.3.2020)

Im Februar 2018 habe ich im Text »Der Parkpfleger, die Algen und das exponentielle Wachstum« mir und meinen Lesern das Phänomen exponentielles Wachstum (auffrischend) vor Augen geführt; aktualisierte Darstellungen zur Coronakrise finden sich im Essay vom 19.3.2020 und im unpolitischen YouTube-Erklär-Video.

Am Ende gewinnt immer die Realität – und die funktioniert nicht immer so, dass es einfach in unser Gehirn passt – ein Aspekt der Realität ist aber exponentielle Entwicklung, und es liegt an uns, ob wir uns die Mühe machen, unser Gehirn darum zu wickeln.

»Es gab schon immer Coronaviren«

Das Gegenargument, wonach es schon immer Coronaviren gaben und jetzt würde unbegründet »Panik gemacht«, wird mit dem Namen Dr. Wolfgang Wodarg verbunden, und auch seine Beruhigungen wurden mit vom deutschen Staatsfunk populär gemacht.

Mich ärgert, dass jetzt so viele Menschen darunter leiden müssen, unter dieser Panik, die gemacht wird, dass unnötig Menschen in Quarantäne gebracht werden, das wichtige Veranstaltungen abgesagt werden, dass Menschen wirtschaftlichen und persönlichen Schaden nehmen, ohne dass das medizinisch irgendwie begründbar und haltbar wäre. (Dr. Wolfgang Wodarg, via ZDF Frontal 21, 10.3.2020, zdf.de und  vielfach im Internet)

Im ZDF-Beitrag fallen immer beruhigende Vokabeln wie »lange bekannt«. Später sagt derselbe Dr. Wodarg:

Wir wissen seit Jahrzehnten, dass es Coronaviren gibt. Die Tierärzte impfen Hunde gegen Coronaviren. Wir wissen, dass Schweine Coronaviren haben, dass andere Tiere in unserer Umgebung Coronaviren haben, dass Menschen schon lange, immer Coronaviren haben, und dass sie daran erkranken. Wir haben bisher nur nicht die Coronaviren wichtig genommen, wir haben nicht danach gesucht, wir haben sie einfach vergessen. (Dr. Wolfgang Wodarg, via ZDF Frontal 21, 10.3.2020, zdf.de und als Backup vielfach im Internet)

Am 10.3.2020 war – während Menschen in Italien und anderswo starben – der Staatsfunk noch immer im Beschwichtigungs-Modus:

Covid-19 ist nur eine neue Variante der Corona-Viren. Dass sich Viren verändern ist für Experten nicht neu. So grassieren jedes Jahr in der Grippesaison neue Viren. (ZDF Frontal 21, 10.3.2020, zdf.de)

Der gesamte ZDF-Beitrag vom 10.3.2020 ist eine Abfolge von Beschwichtigungen. Auch aus den USA wird ein beschwichtigender Arzt zugeschaltet, der erklärt, dass er nichts Gefährliches erkennen kann. Herr Dr. Wodarg sagt, dass es »nichts Besonderes« an dem neuen Virus gibt.

Und dann natürlich, wieder, das obligatorische Experten-Zitat, wonach eine »Influenza noch immer gefährlicher als das Coronavirus« sei.

Eines der Probleme dieser Argumentation – so ich es als Nicht-Mediziner beurteilen kann – ist jenseits aller biologischen Vorgänge, dass die Zahlen nicht stimmen.

Influenza hat eine Tödlichkeitsrate von etwa 0,1% bis 0,2% (siehe livescience.com, 19.3.2020 u.a.); das heißt: Von tausend Angesteckten sterben 1 bis 2. An COVID-19 aber, nach ersten Schätzungen aufgrund der eventuell sogar etwas beschönigten Zahlen aus China, könnten ca. 2% oder mehr sterben. Gleichzeitig ist das Coronavirus weit aggressiver, sowohl in der Infektionsrate als auch im Verlauf der Krankheit und den Spätfolgen.

Wenn die obigen Zahlen auch nur im Ansatz stimmen (2% Todesrate) und knapp die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands (40.000.000) sich infizieren würde, dann würde das ohne Behandlung theoretisch 800.000 Tote bedeuten – also etwas mehr als die Einwohnerzahl von Frankfurt am Main – und viele derer, welche diese Krankheit überleben, tragen Narben auf der Lunge davon. (Zum Vergleich: Bei der Bombardierung Dresdens in der Nacht zum Valentinstag 1945 starben etwa 25.000 Menschen.)

Ich kann nur die mir vorliegenden Informationen nach meinem besten Vermögen einschätzen. Ich würde mein Leben und das Leben meiner Familie nicht darauf verwetten, dass Herr Dr. Wodargs Einschätzungen ob der Frage, ob das Virus neu und gefährlich ist oder nicht, den neuesten Erkenntnisstand angemessen einbeziehen.

»Trifft eh nur die Alten – der Rest sollte Immunität aufbauen!«

Die Meldungen sind widersprüchlich ob der Frage, ob der Mensch nach einer durchstandenen Coronavirus-Infektion auch tatsächlich immun gegen eine Neu-Erkrankung ist (vergleiche etwa npr.org, 20.3.2020).

Selbstverständlich wäre es wünschenswert, Nation um Nation würden eine Immunität gegen das China-Virus aufbauen.

Man könnte versuchen, dieses Ziel zu erreichen, indem man nur »Risikogruppen« wie Alte und Gebrechliche isoliert.

Dieser Ansatz hat mehrere logische Probleme: Zum einen wäre die Frage, wie man genau bestimmt, wer Risikogruppe ist und wer nicht. Soll man alle Bürger einer Gesundheitsbewertung unterziehen? Soll man alle Bürger ab einem bestimmten Alter einsperren? Soll man die Bürger selbst einschätzen lassen, wie fit sie sich fühlen?

Das zweite und noch schwerwiegendere Problem an der »langsamen Immunisierung« sind schlicht falschen Annahmen über die Krankheit selbst.

Zu Beginn der Coronakrise wurde vor allem aus dem linken Spektrum die Fake News verbreitet, dass die Krankheit nur »alte weiße Männer« trifft, also ein linkes Feindbild. Politiker wie Jutta Ditfurth (Ex-Grüne, inzwischen nach eigener Aussage selbst infiziert), Marcus Faber (FDP, MdB), regierungstreue Künstler sowie diverse anonyme Internet-User »scherzten« darüber, die aus nicht wenigen »alten weißen Männern« bestehende Opposition gezielt zu infizieren. In ihrem Kulturkrieg gegen »Alte« (vergleiche »Umweltsau«) schienen »Haltungsbürger« die tödliche Krankheit gezielt zu beeinflussen. Neben aller moralischen Verwerflichkeit hat so ein Ansatz ein weiteres Problem: er ist falsch.

Am 18.3.2020 sagte der Linkspopulist und Mediziner Karl Lauterbach (SPD) im deutschen Staatsfunk:

… dann hatten wir den Fehler gemacht, dass wir am Anfang immer gesagt haben, für die Jüngeren, für die keine Risikofaktor habenden jüngeren Menschen, ist das so ähnlich wie eine Erkältung. Das war nie richtig wahr. Also auch für die jüngeren, die etwas schwerer erkranken, sehen wir sehr häufig ein Bild der Lungenentzündung, und also das ist auch nach Wochen nicht ganz richtig geklärt, also da sieht man noch immer im Computer-Tomogram keine Veränderung. Das hat nichts mit einer kleinen Erkältung zu tun, auch nichts mit einer normalen Grippe. Ich glaube wir haben am Anfang den Fehler gemacht, dass wir für die jungen Leute das verharmlost haben, das ist jetzt eben schwer, also den Ernst der Lage für alle klar zu machen. (Karl Lauterbach, via zdf.de, 18.3.2020, mein Transkript)

Ich überlasse Ihnen die Bewertung, ob Lauterbach hier zugibt, dass die Bevölkerung von Regierung und Staatsfunk gezielt belogen, getäuscht und also gefährdet wurde – es würde wenig an meiner Einschätzung dieser Leute ändern (und doch meine ich zu spüren, wie dieser Tage ein hinterhältiger Linkspopulist und ein echter Mediziner um Lauterbachs Politiker-Seele kämpfen).

Mittlerweile häufen sich auch im Internet die Berichte von jungen und gesunden Menschen, die an COVID-19 erkranken, die zuvor gesund waren und ohne Vorerkrankungen.

Als Beispiel sei hier etwa der 28-jährige COVID-19-Patient Micheal Prendergast genannt, der im Video seine Erfahrungen mit der Erkrankung berichtet: @SkyNews, 24.3.2020.

Das Gegenargument, dass man doch nur die Alten und Schwachen, also die »Risikogruppen« schützen soll (oder dass man sie, wie Linksfaschisten grölen, einfach sterben lassen soll, im Geiste des »lebensunwerten Lebens« der NS-Zeit), während die Restlichen sich »immunisieren« (erstaunlich auch, wer sich alles selbst als »jung und stark« einsortiert), es hat neben seinen ethischen und praktischen Bruchstellen ein weiteres simples Problem: Es stimmt, nach allem was wir heute sehen, nicht. Auch »junge und starke« Menschen können erkranken, die Krankheit zieht sich lange, man leidet furchtbar, und wahrscheinlich bleiben Schäden fürs Leben.

»Es werden Bürgerrechte eingeschränkt!«

Ein weiteres Gegenargument lautet: Durch die Maßnahmen gegen das Virus wird schwerwiegend in die Bürgerrechte eingegriffen!

Das ist natürlich richtig. Es ist erschreckend richtig.

Niemand, auch ich nicht, wird das ernsthaft und ernstzunehmend bestreiten – umso mehr müssen wir all die anderen Argumente prüfen.

Nicht nur ich frage und sorge mich, ob die Regierungen den Bürgern wieder alle Freiheiten zurückgeben werden – nach aller Erfahrung müssen wir sagen: Nein, wohl nicht alle.

Die Deutschen werden zuerst jene Rechte zurück bekommen, die dazu beitragen, das Volk abgelenkt, willig und arbeitend zu halten, also etwa Fußballspiele, öffentliches Trinken und Propaganda-Aufmärsche wie die unsäglichen »Wir-sind-mehr!«-Demonstrationen zur Unterstützung der Regierung.

Es wäre ein ganz eigenes »deutsches Wunder«, wenn einige der Maßnahmen, die jetzt eingeübt werden, nicht sehr bald auch im Kampf gegen Opposition und Abweichler zum Einsatz kommen.

Das alles ist richtig, doch sticht dieses Argument? Wer sagt, dass der Kampf gegen das Virus nicht diese Einschränkung der Bürgerrechte rechtfertigt, der sollte dann auch konkret sagen, ob er tatsächlich die Gefahr für nicht gegeben hält (entgegen der Mehrheit der involvierten Ärzte und den Berichten von der Front) – oder wie viele Tote er bereit ist in Kauf zu nehmen, damit keine Freiheiten aufgegeben werden.

»Das wird die Wirtschaft beschädigen!«

Eine Argumentationslinie gegen die Schutzmaßnahmen weist auf die Schäden hin, welche diese in der Wirtschaft anrichten.

Wie bei den Bürgerrechten antworte ich zunächst: Ja, natürlich wird es die Wirtschaft beschädigen – die Börsen haben Teile davon ja bereits vorweggenommen. – Ich erlaube mir auch hierzu einige Anmerkungen!

Erstens: Wenn die Exponentialität greift, also wenn Bürger in ernstzunehmenden Zahlen sterben, dann hat die Wirtschaft sowieso ganz andere Probleme. Tote sind meist nur einmal noch Kunde, und das auch vor allem nur im Holz-, Kissen- und Blumenhandel, und wenn es ansonsten bis dahin gut lief, vielleicht noch beim Testamentsvollstrecker.

Zweitens: Wie viele Tote wäre Ihnen ein Prozent weniger Wirtschaftseinbruch wert?

Und drittens, erlauben Sie mir eine Bemerkung, die manchen Leser gegen den Strich bürsten wird: Einige der Wirtschaftszweige, die jetzt einbrechen werden, könnte man die nicht ohnehin aus lebensphilosophischer Sicht »überflüssig« nenne?

Die Regierung wird versuchen, einige todgeweihte Wirtschaftszweige auf Pump am Leben zu halten – Merkel tut immer das, was langfristig schlecht für Deutschland ist – doch erlauben Sie sich bitte für einige Sekunden den philosophischen Denk-Luxus und fragen Sie sich: Was sagt es über einen Industriezweig aus, wenn er in der Krise nicht gebraucht wird? Wer heute nicht gebraucht wird, wird der denn sonst gebraucht?

Die LKWs fahren Waren in die Supermärkte. Das Internet bringt uns Informationen, Unterhaltung und soziale Kontakte nach Hause. Kraftwerke – vor allem die traditionellen, zuverlässigen! – betreiben alles (in Österreich haben sich sogar Kraftwerksarbeiter eingeschlossen, um sicherzustellen, dass niemand von ihnen infiziert wird).

Wer jetzt gebraucht wird, auch in der Wirtschaft, der wird wirklich gebraucht – und wenn Sie dem widersprechen, dann tun Sie das bitte mit Argumenten, nicht nur mit Wut im Bauch! (Wut habe ich selbst genug, und doch will ich Argumente ohne Wut konstruieren, so gut ich vermag.)

Ohne Zweifel: Die Wirtschaft wird Schaden nehmen, teils irreparablen Schaden. Auch das selbst wird Leid erzeugen. Es liegt an der Gesellschaft, wie sie die Wirtschaft neu aufbaut.

»Das ist eine Verschwörung!«

Schließlich finden wir diverse Verschwörungs-Argumente in der Debatte! Schon zu Beginn der Corona-Krise wurden im Raunen des deutschen Staatsfunks diverse deutsche Verschwörungstheorien impliziert. Im Text »Der Bully auf unserem Schulhof« etwa notiere ich, wie in der Staatsfunk-Sendung mit Georg Restle wirre Verschwörungstheorien implizit angedeutet wurden, wonach die Pharmaindustrie hinter der Corona-Angst stecken könnte, denn die Gefährlichkeit sei laut einem Experten »deutlich geringer als angenommen«.

Die Geschichte der Coronakrise ist auch die Geschichte eines Vielfronten-Propagandakriegs, an dem der chinesische und der deutsche Staatsfunk beteiligt sind, russische Sender wohl sowieso – und die Anti-Trump-Front in den USA natürlich auch, mit ihrer ganz eigenen, wenig überraschenden Agenda.

Von »SHEAF« ist in den dunklen Ecken des Internets die Rede und von »Übungen«. Von absichtlich gestreuten Biowaffen raunt man. China soll das Gerücht verbreiten, dass das Virus aus einem US-Labor gekommen sei, andere mutmaßen Ähnliches über China (siehe etwa nypost.com, 22.02.2020; über unabsichtlich gestreute Biowaffen sage ich nichts, denn es würde wenig logischen Unterschied für unsere notwendige Reaktion ergeben – ich bleibe aber für’s Erste bei der Fledermaus-Suppe-Theorie – ganz nach Ockhams und Hanlons Rasiermesser – siehe auch mein Kurz-Video extra zu Verschwörungstheorien). (Nachtrag 15.4.2020: Mittlerweise lesen wir auch in deutschen Medien erste Zweifel, siehe etwa ntv-de, 14.4.2020: »Wie kam das Coronavirus von der Fledermaus auf die Menschen? Der Tiermarkt in Wuhan war es wohl doch nicht.«)

Verschwörungstheorien sind immer auch ein wenig logische Rätsel, denn oft lassen sie einen wichtigen Aspekt unberücksichtigt.

Im Video-Beitrag »Alles Verschwörung?!« formuliere ich »Wegners Rasiermesser«, wonach aus der Tatsache, dass »die da oben« etwas für ihre Zwecke nutzen, noch nicht abzuleiten ist, dass die es herbeiführten – das gilt weiterhin, auch und besonders hier.

Doch ein weiterer Aspekt scheint mir die meisten Verschwörungstheorien rund um das Coronavirus zu widerlegen: Das China-Virus zwingt »denen da oben« in vielen zentralen Punkten das exakte Gegenteil ihrer bisherigen Handlungen und Zielsetzungen auf.

Leute wie Merkel, Soros und alle die üblichen Protagonisten von »Verschwörungstheorien« scheinen doch offene Grenzen zu wollen, eine Gesellschaft ohne bedeutsame Unterschiede, das Auslöschen politisch relevanter Identität, faktische Auflösung von Nationen hin zu Superstaaten, Schwächung der Familien, totale Freizügigkeit, »Toleranz« und »offene Gesellschaft« statt Moral und relevanter Strukturen – durch die Coronakrise wird der philosophische Unterbau des in Konsequenz menschenfeindlichen, globalistischen Wahns als das Absurdum aufgedeckt, das er schon immer war.

Die Corona-Verschwörung sollte also zur Konsequenz haben, dass alle bisherigen globalistischen Denkweisen gestrichen werden, hin zu starken Staaten und nationaler Selbstbestimmung?! Sorry, das ergibt keinen Sinn. Im Gegenteil: Es wurde recht früh geschimpft, dass Merkel auch deshalb so lange zögerte, wirksame Maßnahmen gegen die COVID-19-Seuche zu ergreifen, weil es die Luft aus ihrem Offene-Grenzen-Luftballon lassen würde.

In der Wissenschaft verlangt man von neuen Thesen, dass sie sich in das bisherige, stabile Thesengewebe einfügen – oder spektakulär gut begründen, wie und warum sie alle bisherigen Thesen überflüssig machen – weder das eine noch das andere leisten aktuelle Corona-Verschwörungstheorien. – »Die da oben sind wirklich so doof« scheint mir deutlich überzeugender.

Auch morgen wieder?

»Immer wieder geht die Sonne auf«, so dachten sich Merkel und der Staatsfunk wahrscheinlich, »wir haben uns aus 2015 rausgeschwätzt, wir haben Breitscheidplatz ausgesessen, wir haben deutsches Geld in die Welt verschenkt mit den ganz großen Schaufeln, wir haben uns drangemacht, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft an gleich mehreren Stellen anzubrechen – auch dieses kleine Virus werden wir mit etwas ›Kampf gegen Rechts‹ und ›Wir schaffen das!‹ bewältigen. Immer wieder geht die Sonne auf!« – »Die da oben« irrten. Die Coronakrise ist Merkels »Schwarzer Schwan«.

Im Essay »Was soll man denken, wenn man denen-da-oben nicht traut?« stellte ich erstaunt fest, dass dieser Tage manches philosophische Gedankenexperiment überraschend praktisch und greifbar wird, und heute eben Humes provokante These, dass aus der Tatsache, dass bislang immer die Sonne aufgegangen ist, keinesfalls zwingend folgt, dass die Sonne auch morgen wieder aufgeht.

Platz an der Sonne

Ich würde mir wirklich, wirklich, wirklich gerne wünschen, dass all die globale Panik auf nichts als Illusionen gebaut ist. Dass ich mir die Wahrheit einer Aussage wünsche, macht diese noch nicht wahr – das lässt die Ansage vielmehr extra verdächtig erscheinen!

Baut eure Häuser und Träume hoch bis in die Wolken, aber baut sie nicht auf den Wolken, nein, baut sie auf dem Fundament der Realität. Dass die Realität hart und kantig ist, erst das lässt sie zum Fundament taugen!

Ich träume ja auch gern, doch ich tue es lieber in einem stabilen Bett. Und wo viele von Träumen reden, Udo Jürgens singt an anderer Stelle:

Zeig mir den Platz an der Sonne
Wo alle Menschen sich versteh’n!

Wenn wir schon träumen, dann soll es sich auch lohnen. Bis wir aber einen neuen Anlauf nehmen können, liebe Leser, bis dahin lassen Sie uns daheim bleiben, so irgend möglich, einen Mundschutz tragen, so wir noch einen auftreiben konnten, sorgfältig die Hände waschen und Abstand halten. Wenn man genug Abstand von den Menschen hält, so habe ich gehört, ist es auch viel einfacher davon zu träumen, dass »alle Menschen sich versteh’n«.

Als Ihr treuer Essayist darf ich mich an dieser Stelle bei Ihnen, meinen allerliebsten Lesern, einfach mal bedanken, heute wieder mit der Hilfe des wunderbaren Udo Jürgens:

Vielen Dank für die Blumen
Vielen Dank, wie lieb von dir!

Ich habe das Gefühl, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten noch häufiger die Zeit finden werden, voneinander zu lesen – und das ist auf jeden Fall schön!

Weiterschreiben, Wegner!

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