Dushan-Wegner

02.04.2018

Was Sie, meine Leser, geschrieben haben zur Frage nach »Gott«

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Bild von Jeremy Bishop
Ich habe gefragt, wovon Menschen reden, wenn sie »Gott« sagen. Sie, meine Leser, haben wichtige Antworten geschrieben. Hier ist eine Auswahl davon – sehr lesenswert!
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Ich hatte Sie gestern gefragt: »Wovon reden Menschen, wenn sie von Gott reden?« – Ich hatte auch von »Spaß-Atheisten« gesprochen, die spätestens angesichts des Zuzugs von Gläubigen nach Europa ihre Gewissheiten und religiösen (Nicht-) Vorstellungen durchdenken und gegebenenfalls verfestigen sollten.

Sie, meine Leser, haben mir via Twittter, Facebook und E-Mail viel wertvolles Feedback gegeben. Während ich diese Zeilen zusammenstelle, treffen noch immer Reaktionen, Widersprüche und Definitionen ein.

Ich schreibe ja auch, um mit Ihnen gemeinsam dazuzulernen, und dieses Thema ist eine großartige Gelegenheit. Danke dafür! Ich habe Ihnen eine Auswahl Ihrer Reaktionen zusammengestellt.

Ist diese Debatte notwendig?

Ich meine, dass mit der Einwanderung von Gläubigen nach Europa auch eine neue Debatte über unseren westlichen Gottesbegriff notwendig wird. Einige von Ihnen stimmen mir zu und begrüßen es sogar!

Das ist das Gute an der ganzen Flüchtlingskrise. Wir denken wieder mehr über eigene Werte und Wurzeln nach, und stellen fest, wie weit wir uns doch von diesen entfernt haben.
@therealsexin

Denken wir™ darüber nach? Wohl nicht alle, befürchtet @KottosGyes:

Die Jugend denkt doch nur darüber nach wie weit wir uns von Apple Produkten entfernt haben. Und inwieweit die Gesellschaft verpflichtet ist, sie mit Computern zum Spielen zu versorgen. Im Notfall mit BGE. Sollen doch andere arbeiten. Wir wollen spielen.
@KottosGyes

Einige von Ihnen scheinen die Debatte für überflüssig zu halten, weil sie der Idee Gott insgesamt nicht bedürfen:

Ich brauche »Gott« nicht als Krücke, ich kann alleine gehen. Amen.
@KlausTaler_

Bedarfsanalyse

Der Begriff Gott scheint durchaus einigen von Ihnen eine Antwort auf ein Bedürfnis zu sein? (Ich frage mich übrigens, was es besagt, wenn als Antwort auf das Wesen der Grund für die Notwendigkeit angegeben wird. Ich vermute, dadurch wird impliziert, dass das Wesen nur eine ausgedachte Zweck-Erfindung ist, dass Antwort-Sein das Wesen erschöpfend beschreibt. Diese Verzahnung wird uns später wieder begegnen.)

Jedwede Religion gibt dem Menschen die Möglichkeit, durch das Irreale in ihr in der realen Welt zu bestehen, Antworten auf Fragen zu finden, die seine Existenz betreffen. Diese Antworten findet der Humanist aber woanders…
@as070268

Und, zack, die liebevolle Antwort mit Bibelzitat (ich lese ein Augenzwinkern hinein):

Psalmen 10:4 Der Gottlose sagt in seinem Hochmut: »Er wird nicht nachforschen!« Alle seine Gedanken sind: »Es gibt keinen Gott«!
@dieter_wolfgang

Manchen gelingt es, ihren eigenen spirituellen Werdegang und zugleich die (persönliche) Notwendigkeit eines Gottesbegriffs in wenige gut gesetzte Zeilen zu fassen:

Ich habe mir lange meinen »eigenen« Gott modelliert, mich vielen Ideen aus verschiedensten Religionen und Richtungen ausgesetzt. Dann kam ich zu dem Schluß, man könne Gott nur durch die Schöpfung kennenlernen, und daß nichts falsch ist. Ich fühlte mich wie die Sau im Schlamm…
@gottzuehren

Was für eine bildstarke Sprache!

Was und wo ist Kirche?

Ich habe im Text über die Kirchen in Deutschland etwas lässig geschrieben, dass sie »wie an die jeweiligen Wohlfahrtskonzerne angeschlossene PR-Abteilungen« wirken, nicht wie Bewahrer des Glaubens. Das weckte natürlich Widerspruch, doch nicht, indem meine Bewertung bestritten wurde (im Gegenteil), sondern indem man Kirche woanders als in den Äußerungen prominenter Kirchenvertreter verortete:

[Kirche ist] dort, wo sie als christliche Gemeinde im Gottesdienst, Glaubens- und Lebensvollzügen erlebbar ist, etwas anderes als die Verlautbarungskirche der Bedford-Strohms, Käßmanns und Marxs. Gehen Sie einfach mal in einen Dorfgottesdienst oder eine Kleinstadtmesse!
@Hinter_der_Welt

Wie angeboren ist »Gott«?

Ich habe behauptet (und bleibe übrigens für jetzt dabei, doch sehe auch die Gegenargumente sehr wohl), dass es dem Menschen angeboren ist, zu glauben.

Zu dieser Behauptung habe ich ausführlichen und deutlichen Widerspruch bekommen. Mit Erlaubnis der Autorinnen erlaube ich mir, aus zwei der mir widersprechenden Antworten zu zitieren:

Der Glaube ist dem Menschen angeboren? Also mir nicht! Auch gab es in meiner Kinder, Jugend und Erwachsenenzeit weder Unterhaltung, noch Konsum, keine Smartphones (habe ich jetzt auch nicht), wir haben als Kinder richtig gespielt, bis ich 6 war hatten wir keinen Fernseher und als wir einen hatten, durfte ich das Sandmännchen und Sonntags »Meister Nadelöhr« sehen. Ich habe sehr viel gelesen, also alles was ich in die Finger bekam. Unter anderen auch eine Kinderbibel, welche ich mir interessehalber ausborgte. War sehr erstaunt, da es ja kein Märchen war, dass jemand (Erwachsene) das ernst nehmen konnten und so viele Menschen deswegen sterben mussten/und immer noch müssen. Dazu möchte ich erwähnen: meine Lieblingsfäche waren Biologie, Chemie, Physik und Mathe. Zurück zur Kinderbibel. Gott kam mir vor wie ein Zauberer, die ersten 6 Tage als er die Welt erschuf, mit Adam und Eva. Das erschloss sich mir als völlig unsinnig. […] Hatte nie gedacht, dass in der heutigen Zeit und in Europa der Glauben an was auch immer einen derartigen Auftrieb erlebt, dass man Angst haben muss, nicht mehr frei sein Leben leben zu können. Von mir aus kann jeder glauben, was er meint glauben zu müssen, wenn er dem anderen nichts aufdrängt, oder meint für seinen Glauben »rekrutieren« zu müssen, denn nein, der Glaube ist nicht angeboren!
Annette Susanne Malag

Ich bin Atheist. Ich habe den Nichtglauben an Gott weder durch Spaß, noch durch Fitness, noch durch Gesundheitsanbetung, Veganismus noch sonst irgend etwas ersetzen müssen. Ich bin eine Frau, die es wissenschaftlich mag. Ich weiß, dass ich weiterleben werde, ohne mein Bewusstsein, weil es den Energieerhaltungssatz gibt. Wenn ich sterbe, dann bin ich Asche und eben für andere Lebewesen, ich sage dann immer gern für ein Gänseblümchen, die Wachstumsgrundlage. Nichts verschwindet in der Welt. Falls die Lebensumständen kriegerisch werden, werde ich vielleicht Überlebensgrundlage für Krähen. So lebt ein Teil von allen Menschen in einem anderen Zustand weiter.
– Petra Wilhelm (Auszug aus E-Mail)‏

Ich will an dieser Stelle so persönlich antworten wie obiger Widerspruch persönlich ist: Ich behalte den Widerspruch im Hinterkopf – und bleibe dabei, dass es wahrscheinlich etwas gibt, wovon Gläubige sprechen, wenn sie von Gott reden. Im Tschechischen gibt es die Redensart, man suche nach einer Lösung, wo »der Wolf satt wird und das Schaf dennoch heil bleibt«. Der Idealfall wäre, eine Antwort zu finden, die Gläubige und »geborene Atheisten« unterschreiben können.

Wovon reden die Menschen nun?

Es ist verständlich, wichtig und richtig, dass eine Debatte über die Referenz des Gottesbegriffs auch und vorweg eine Debatte über die Rolle dieses Begriffs im persönlichen Alltag auslöst. Doch die Frage bleibt: Wovon reden Gläubige nun, wenn sie von Gott reden? (Eine weitere interessante Frage wäre, wovon Atheisten reden, wenn sie »Gott« sagen.)

Der alte Nietzsche-Spruch »Gott ist tot« (dessen Kontext oft unter den Tisch fällt) kann als Inspiration zur Antwort dienen, und sei es in seiner logischen Widerlegung:

Die GOTT IST TOT Theorie ist unstimmig. Wenn etwas tot ist, muss es vorher gelebt oder existiert haben. Also ist das ES doch Anfang und Ende zugleich. Das A und O. Eine GLEICHUNG IN SICH die mit nichts vergleichbar ist. In sich stimmig. ES IST, was war und sein wird – im JETZT.
– Tweet-Thread von @marctailer3 (1,2,3), zusammengefasst

Warum haben Gläubige das Bedürfnis, »ihrem« Gott einen speziellen Namen zu geben – ist das nicht ebenfalls unlogisch?

Wenn es Gott gibt, dann wird er sich weder Gott, noch Brahma, noch Allah, noch Jahwe, noch XY nennen. Dies sind menschengemachte Namen. Wenn jemand über allem steht, dann wird er keinen Namen und menschliche Folklore benötigen. Ich glaube an ein Vernunftprinzip, der Name ist egal.
@flosafraca

Wenn, dann kann es nur einen Gott geben. Denn ein zweiter, jeder fremde Gott einer anderen Religion, wäre in einer allgegenwärtig-unendlichen Entität schon immer aufgehoben und mitgedacht.
– aus Thread von @einandererblog

Die Eingangsfrage nach der Notwendigkeit einer Debatte zum Gottes-Begriff ist nicht zu trennen von der ontologischen Frage. Etwa: Ist Gott dem Wesen nach eine Projektion unserer innersten Gefühle?

Sie reden von Ihren eigenen Ängsten. Und Regelwerken, verpackt in ein Religionsbuch, dass das Leben miteinander erträglicher machen kann. Und den Trostspender auf ein Leben nach dem Tod. Dass dann ggf. besser wird als das Aktuelle. kfj
@kfjJahn

Gott ist ein Konstrukt, das die Menschen in ihrer Angst dem Nichtwissen entgegenstellten. Wir haben ihn oder sie (Mehrzahl) nach unserem Abbild erschaffen.
@redder66

Ich möchte spontan reagieren: Definitiv nicht von der Hand zu weisen, aber auch allein nicht befriedigend, geschweige denn stark genug, um ein wirksames Alternativ-Konzept zu bestehenden Gottesbegriffen zu sein.

Zum Begriff »Spaß-Atheisten«

Schließlich, einige Leser waren verwundert über meine Formulierung »Spaß-Atheist«.

Was sind Spaß-Atheisten? Und was ist Dawkins? Ernst-Atheist?
@SomeXT

Meine kurze Antwort auf die zweite Frage: Ja. Ein »Ernst-Atheist« wäre einer, der sich der Tiefe der Frage bewusst ist und zu einer eigenen durchdachten Antwort kommt, die eben keine überirdischen Gestalten voraussetzt.

Was ist denn ein Spaß-Atheist? Jemand, der sich lieber am Wunder des Universums erfreut und die Schuld nicht auf Phantasiegestalten schiebt?
»thinkithinkithinki«

Ich könnte eine Antwort schreiben und tiefer erklären, was ich mit »Spaß-Atheismus« meine, doch @LaF_FliX_Spider formuliert es bereits treffend:

Über den Begriff habe ich auch gerätselt. Meine Interpretation(!): Atheismus als Mode, als Ausrede sich nicht tiefer mit dem Komplex Glauben, Sterblichkeit, Religionen auseinander setzen zu müssen und lieber arrogant lächelnd den Latte zu schlürfen und am Smartphone zu tippeln.
@LaF_FliX_Spider

Herz und Hirn

»Der Westen« ändert sich. In seiner bestehenden Form ist er vorbei. Es wird einen anderen, neuen Westen geben. Und, eine der zentralen Fragen – ob es Latte-Schlürfern passt oder nicht – wird sein, was der Westen dem importierten Gottesbild zur Seite und gegenüber stellt.

Ich bleibe dran, zusammen mit Ihnen! Ich werde nicht jeden Tag darüber schreiben, dafür ist das Thema zu anstrengend, aber hin und wieder durchaus, das fordert die Wichtigkeit. Der Westen braucht einen Gottesbegriff, der das Hirn zufriedenstellt und das Herz nicht enttäuscht. Schön, dass Sie dabei sind – Danke für Ihre Antworten, lassen Sie uns gemeinsam weiterdenken!

Weiterschreiben, Wegner!

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