Dushan-Wegner

29.01.2018

Fake News über Höcke machen Höcke stark

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten
Höckes größter Trumpf ist die Plumpheit seiner Gegner. Er sagt Dinge auf problematische Weise, doch statt ihn klug zu kritisieren, verbreitet man Fake News über ihn. Warum?
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Der Höcke hat wieder einen rausgehauen. Wenn die AfD »an der Macht ist«, sagte er, würden sie »die Direktive ausgeben«, dass »am Bosporus mit den drei großen M, Mohammed, Muezzin und Minarett, Schluss ist«.

Ich denke bei Macht an »Machtergreifung« – und bei »Machtergreifung« denke ich an Hitler. Der Duden denkt bei »Machtergreifung« übrigens auch an die Kommunisten:

Beispiele:
– die Machtergreifung der Kommunisten in Osteuropa nach 1945
– nationalsozialistische Machtergreifung (Ergreifung der Macht durch die Nationalsozialisten)
duden.de

Höcke spricht auch von »Direktive«. Auch das klingt autoritär, vor allem, wenn man die mit »Macht« gesetzte Stimmung berücksichtigt. Es erinnert an die »Führer-Erlasse«, die ja auch Direktiven waren und zudem geltendes Recht außer Kraft setzten.

Doch, beide Bedeutungen klingen nur an. »An die Macht kommen« ist zuerst ein normaler Vorgang. Bei jeder Wahl kommt jemand an die Macht und ist dann an der Macht. – Direktive aber ist schlicht eine Anweisung. Wenn ich meinen Kindern anordne, sich vorm Essen die Hände extra gründlich zu waschen, ist das eine Direktive. (Wenn sie sagen, es auch tatsächlich extra gründlich getan zu haben, und nicht nur normal gründlich, dann ist das möglicherweise Fake News.) Auch Merkels Grenzöffnung war nach Ansicht unabhängiger Juristen eine Direktive, am geltenden Recht vorbei.

Was Höcke dann aber nach dieser martialisch klingenden Einführung sagt, ist schlicht die Forderung, die Vorherrschaft islamischer Religion, gesellschaftlicher Ordnung und Kultur »am Bosporus« enden zu lassen.

Die Meerenge Bosporus mag Istanbul und die Türkei aufteilen in den europäischen und den asiatischen Teil, doch die Formulierung »am Bosporus« steht als eine Art Pars pro Toto für das Osmanische Reich und später die Türkei.

Höcke sieht, was eine Verquickung von Staat und Religion etwa in der arabischen Welt und in der Türkei bewirkt; und er fordert schlicht das, was Päpste forderten, als sie noch katholisch waren, wofür Europäer gestorben sind, nämlich ein »christliches Europa« der »jüdisch-christlichen Werte«.

Das mag man diskutieren. Man könnte fragen, warum er einer Religion eine andere gegenübersetzt, statt einen modernen Humanismus hochzuhalten. Man könnte auch realistisch bezweifeln, ob ein Larifari-Christentum wirklich die innere Kraft hat, sich politisch denkenden und handelnden Religionsfundamentalisten in den Weg zu stellen.

Oder man könnte das tun, was Höckes geifernde Gegner tun: Unwahrheiten über Höcke erfinden.

Die Welt titelte:

»AfD: Björn Höcke will Verbot des Islam in der Türkei« (Artikel-Vorschau)
»AfD-Landeschef Höcke will Islam in der Türkei bekämpfen« (Titel, später geändert)

Spiegel Online verwies auf seine Kinder-Ausgabe bento.de, welche ebenfalls Unsinn behauptete (oder war Die Welt gar vom Millennial-Clickbait inspiriert?):

»Höcke will der Türkei den Islam verbieten, sobald die AfD ‚an der Macht‘ ist«

Die Fake News verbreitet sich schnell, wie jede Meldung, die das Berliner Einheitsnarrativ zu bestätigen scheint.

Merkur etwa titelt (zum obligatorischen Sekundenbruchteil-Schnappschuss von Höcke mit gestrecktem Arm):

»Björn Höcke will den Islam in der Türkei verbieten«

Und so weiter, und so fort.

Natürlich bekommt auch die Politik bald Wind von der Fake News und steigt mit ein.

Karl Lauterbach von der SPD tweetet:

»Höcke Zitat zeigt: AfD geht es um Religionskampf gegen Islam, selbst in Türkei. Mal ehrlich: was für ein Schwachsinn« – und dazu lustigerweise ein Bild des Originalzitats, das Lauterbachs Aussage widerlegt.

Man hätte Höckes Aussagen einordnen und kontextualisieren können und sollen. Man hätte aufzeigen können und sollen, was er anklingen lässt. Hätte man nicht das Gefühl, dass Rationalität in deutschen Leitmedienredaktionen immer erst mit zweijähriger Verzögerung ankommt, hätte man, auch jenseits der Kritik am Höckesound, eine Analyse der eigentlichen Aussage erwartet. Man hätte in die Rede hineinhören können, und dann nachhaken, wie er das mit der »Deislamisierung« konkret durchziehen möchte. All das blieb aus. Narrativ frisst Hirn, Haltung frisst Journalismus.

All diese Chancen wurden vergeben. Ich glaube keinem einzigen deutsch-sprechenden Journalisten, dass er die Höcke-Aussage las und nach zwei Sekunden langer Überlegung noch immer dachte, »ja, Höcke will den Islam in der Türkei verbieten lassen«.

Entweder wir brauchen dringend einen Kurs »Deutsch für Qualitätsjournalisten« – oder jene Journalisten haben sich in dem Moment entschieden – warum auch immer – eine Unwahrheit zu verbreiten.

Ich halte den Höcke-Sound für hochproblematisch – und ich halte Fake News über Höcke für nicht weniger problematisch.

Wir können nur spekulieren (das aber wahrscheinlich recht präzise), was jene, die beschlossen, Höckes Aussage ins Absurde zu verdrehen, damit bezweckten. Was sie aber erreichten, war, als Lügner dazustehen. Für Journalisten, die im Kampf gegen ihren politischen Gegner zu Lügen greifen, haben wir allerdings einen Begriff: Fake News.

Ich schlage eine Regel vor, speziell für Redaktionen, die nicht als Fake News dastehen wollen: Wenn Höcke wieder etwas Problematisches raushaut, setzen Sie jemanden dran, dessen Gehirn nicht gleich »getriggert« wird und von Sprachverstehen auf Narrativ umschaltet. Besonders wenn es um Themen geht, in denen eine »moralische Einigkeit« unter Hauptstadtjournalisten herrscht, müssen jene mit einem Rest an Berufsethos sich selbst das fragen, was »wir hier unten« sie sowieso fragen: Stimmt das wirklich, oder ist es nur euer Narrativ?

Für Leser aber, die solche Fake-Narrative von vornherein kritisch abklopfen möchten, empfehle ich auch weiterhin, sich mindestens zusätzlich bei freien, unabhängigen Denkern zu informieren.

Weiterschreiben, Wegner!

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