Dushan-Wegner

23.01.2018

So nutzt Trump ethische Ordnung als Waffe

von Dushan Wegner, Lesezeit 6 Minuten, Foto: Alexandr Bormotin (bearbeitet)
Trump zwingt seinen Gegnern eine klare Entscheidung ab: Was ist euch wichtiger, US-Bürger oder illegale Einwanderer? Das ist brutal effektiv in Zeiten, in denen linke Politiker zum Schaden des eigenen Volkes handeln.
Telegram
Facebook
𝕏 (Twitter)
WhatsApp

Und dann schwingt der Schwertkämpfer sein scharfes Schwert um mit des Schwertes Schärfe unseren Helden aufzuhalten, doch dieser Held hält nichts davon und zieht schulterzuckend seine Pistole aus dem Gürtel und streckt den schwertschwingenden Schwertmann nieder, mit einem lässigen Schuss von der Seite der Hüfte in die Mitte des Herzens. Oder vielleicht auch nur in den Bauch. Hauptsache der Kampf ist vorbei, bevor er so richtig begann, das lehrt schon Sun Tzu.

Dem Golfer Arnold Palmer wird manches inspirierende Zitat zugeschrieben. Ob diese Zitate echt sind, wer weiß das im Internet-Zeitalter so genau? (Um George Washington zu zitieren: »Der kluge Mann glaubt nicht jedes Zitat, dass im World Wide Web steht.« – Randnotiz: Ist es nicht interessant, dass »World Wide Web« bereits etwas antiquiert klingt? Heute gewinnen Apps und APIs täglich an virtuellem Boden – und doch bleibt HTML das Trägermedium der wirklich interessanten Argumente im Digitalen.)

Ein Zitat (im obigen Sinne) von Arnold Palmer, das mich persönlich tatsächlich begleitet, handelt vom Glück (im Sinne von Zufall):

»Golf ist ein Glücksspiel, aber je mehr ich trainiere, um so mehr Glück habe ich.«
– Arnold Palmer, oder Gary Player, laut QuoteInvestigator.com aber wohl jemand im neunzehnten Jahrhundert

Die Schwertmann-Szene in Indiana Jones: Jäger des verlorenen Schatzes, jenem Filmklassiker von Steven Spielberg mit Harrison Ford, ist wohl ein Fall solchen »Glücks«.

In einer VIP-Frage-Session beim Internetforum Reddit.com berichtet Harrison Ford:

»Wir drehten in Tunesien, und das Drehbuch enthielt eine Szene, in der ich gegen einen Schwertkämpfer, einen erfahrenen Schwertkämpfer, kämpfte. Es sollte das ultimative Duell zwischen Schwert und Peitsche sein. Und ich litt unter Durchfall, wirklich, und ich fand es unangenehm, mich mehr als zehn Minuten auf einmal außerhalb meines Wohnwagens aufzuhalten. […] Ich wusste nicht, wie ich aus diesen drei Drehtagen herauskommen konnte, also schlug ich Steven vor, dass wir den Kerl einfach nur erschießen und Steve sagte: ‚Das habe ich mir auch gedacht.’ Also zog der sein Schwert, der arme Kerl war ein wunderbarer britischer Stuntman, der seine Schwertkunst monatelang geübt hatte, um diese Szene zu drehen, und er war ziemlich überrascht von der Idee, dass wir ihn in 5 Minuten wegschicken würden. Aber er zog sein Schwert, ich zog meine Waffe und erschoss ihn, und dann fuhren wir zurück nach England.«
Harrison Ford auf Reddit.com

Die Szene mit dem Schwertmann mag im Entstehen von blanker Notwendigkeit getrieben sein. Doch, sie ist ein Glücksgriff im Internet-Palmer-Sinn.

Die Schwertmann-Szene ist eine bildliche Metapher für den Sieg von Pragmatik und Sachkenntnis über Ideologie, Fortschrittsfeindlichkeit und das Not-invented-here-Syndrom (die Bevorzugung eigener Lösungen gegenüber überlegenen externen Methoden).

Indy Trump

Die effektivste Waffe in öffentlicher Debatte ist seit jeher die empfundene Ethik.

Im Juli 2016 schrieb ich bei Tichys Einblick:

»Immer wieder haben Bürger das Gefühl, dass Politik ihnen »von oben herab« vorschreiben will, was sie wichtig zu finden haben.«
tichyseinblick.de, 8.7.2016

Im selben Text spreche ich auch vom »Krieg um Wichtigkeit«. In diesem »Krieg um Wichtigkeit« hat Trump sich – so haben es seine Wähler empfunden – auf die Seite des amerikanischen Bürgers gestellt, während US-Demokraten meinten, sich auf die Seite Hollywoods und illegaler Einwanderer stellen zu müssen.

Was US-Demokraten (und auch die SPD) übersehen: Es ist uns Menschen weitgehend einprogrammiert, was uns wichtig ist (z.B. lässt das Kindchenschema uns Babys und Welpen wichtig finden) – mit der Wichtigkeit kommt aber auch das Moral-Gefühl (siehe »Relevante Strukturen«), und was nicht einprogrammiert ist, das ist Folge von Kultur und Sozialisation, also Faktoren, die weit tiefer greifen als ein schneller Talkshow-Auftritt oder eine handelsübliche Parteitagsrede.

»Normale« Politiker tanzen um diese einfache Wahrheit herum. Trump hat nicht nur begriffen, dass jede politische Entscheidung sich im Kern auf einen Kampf um Wichtigkeit reduziert, er formuliert es auch. Wenn Trump ein neuer Typus von Politiker ist, dann besonders darin, dass er angstfrei ausspricht, was andere sich nur anzudeuten trauen.

Im leider regelmäßigen Gerangel um die Übergangsfinanzierung der US-Regierung sahen die US-Demokraten eine Chance, Trump eins auszuwischen. Doch die Republikaner waren klüger: Sie verknüpften die Abstimmung zur Übergangsfinanzierung mit einer Abstimmung zur Verlängerung von Krankenversicherung für sozial schwache Kinder.

Clemens Wergin erklärt bei welt.de:

»Nun mussten die Demokraten erklären, warum sie Millionen US-Bürgern Leid zufügen – den armen Kindern plus den Staatsangestellten und Unternehmen, die für die Regierung arbeiten – um 700.000 Illegalen zu helfen.«
welt.de, 23.1.2018

Diese Analyse von Wergin ist präzise und richtig.

Ich würde es so formulieren: Trump hat seine Gegner gezwungen, sich öffentlich ethisch zu positionieren – und dann kniffen diese, ihren Kurs im vollen Licht der Öffentlichkeit durchzuziehen. (Da ist man in Deutschland weiter: Ein Bürgermeister kann im Fernsehen sagen, dass Flüchtlinge besser behandelt werden als Deutsche, es kann sogar in der Zeitung stehen, dass Fremde »gleicher« als die eigenen Bürger sind, und ein umgefallener Sack Öko-Dinkel-Mehl würde für mehr Aufmerksamkeit sorgen.)

Es liegt etwas Edles und zugleich Schreckliches darin, dem Gegner die gemeinsame ethische Position abzuringen.

Trumps Messaging war in diesem Punkt sehr konsistent, so twitterte er etwa:

»Die Demokraten schalten Dienstleistungen und Sicherheit für Bürger aus, zugunsten von Dienstleistungen und Sicherheit von Nicht-Bürgern. Nicht gut!«
@realDonaldTrump, 22.1.2018

Ich wage zu behaupten: Das ist der perfekte Talking Point. Es kann andere geben, aber kaum bessere.

Grundprinzip, nicht Falle

In einem Detail widerspreche ich dem erwähnten Autor Clemens Wergin von welt.de: Sein Artikel spricht von der »Falle der Republikaner«. Mit dem Wort »Falle« erhält diese Zuspitzung einen Neuigkeitswert, doch es ist nicht (wirklich) neu. Die klare Setzung und Gegenüberstellung von Wichtigkeit ist das Grundprinzip des Trumpschen Wahlkampfs und seiner Politik/Politik-PR bis heute. Sein Motto war bereits im Wahlkampf »America first«, sein Slogan war (und ist weiterhin) »Make America Great Again« – während die US-Demokraten sich von Hollywood-Moral-Autoritäten wie Kevin Spacey oder Harvey Weinstein bewerben ließen und ihr Herz für illegale Einwanderer heißer zu schlagen schien als für die, die sie wählen sollten.

Der Republikanische Senator Tom Cotton formulierte es so aus:

»Ich höre immer wieder von Demokraten, beim Shutdown drehe es sich um ‚eine Menge Themen‘. Übersetzung: »Beim Shutdown geht es um illegale Einwanderung und wir haben festgestellt, dass es unpopulär ist, die Interessen von illegalen Einwanderern und Ausländern gegenüber amerikanischen Bürgern zu priorisieren.«
@TomCottonAR, 22.1.2018

Den Gegner zu einer klaren, moralisch deutlich empfundenen Position zu zwingen – und zugleich selbst ganz klar zu machen, welche Werte man vertritt – das ist keine »Falle« sondern wesentliches Grundprinzip des Trumpschen Ansatzes.

Wo Trumps Gegner mit verwirrten moralischen Floskeln herumfuchteln wie der Schwertkämpfer im Angesicht von Indiana Jones, zieht Trump seine Waffe und schießt die Frage ab: Das sind meine relevanten Strukturen, was sind eure? In solcher brutalen Effektivität liegt, finde ich, auch etwas Schönheit.

In 2012 twitterte Trump:

»‚Es ist die höchste Kunst des Krieges, den Gegner ohne Kampf zu unterwerfen.‘ — Sun Tzu«
@realDonaldTrump, 17.7.2012

Wir wissen, dass Trump den Kriegs-Philosophen Sun Tzu nicht nur gelesen hat, sondern auch beherzigt.

»Die Kunst des Krieges« lehrt uns, dass die Schlacht entschieden ist, bevor sie begonnen hat. Etwa, indem man wie Indiana Jones die Waffe zieht und schießt, während der Gegner noch fuchtelt. Die Vorhersage ethischer Wahrnehmung ist noch immer die wirksamste Waffe im großen Meinungskrieg.

Weiterschreiben, Wegner!

Danke fürs Lesen! Bitte bedenken Sie: Diese Arbeit (inzwischen 2,033 Essays) ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich.

Wählen Sie bitte selbst:

Jahresbeitrag(entspr. 1€ pro Woche) 52€

Augen zu … und auf!

Auf /liste/ finden Sie alle Essays, oder lesen Sie einen zufälligen Essay:

Mit Freunden teilen

Telegram
Reddit
Facebook
WhatsApp
𝕏 (Twitter)
E-Mail

Wegner als Buch

alle Bücher /buecher/ →

So nutzt Trump ethische Ordnung als Waffe

Darf ich Ihnen mailen, wenn es einen neuen Text hier gibt?
(Via Mailchimp, gratis und jederzeit mit 1 Klick abbestellbar – probieren Sie es einfach aus!)