Dushan-Wegner

10.08.2018

Was ist ein Land, für das man kämpfen würde?

von Dushan Wegner, Lesezeit 5 Minuten, Bild von Claudio Testa
In der Partei, deren Kanzlerin die Flagge fortwarf und die Grenzen öffnete, erwägt man, Deutsche zum Dienst fürs Land zu verpflichten. Du darfst fürs Land sterben. Du darfst Hintern fürs Land wischen. Nur sagen, dass es DEIN Land ist, das lass lieber sein.
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Es war das Jahr 2018. Es war heiß, asphaltschmelzend heiß. Die politische Stimmung im Land war angespannt. Die Fußballmannschaft hatte so brachial versagt, dass es gar nicht die Ermahnungen der Antideutschen gebraucht hätte, um die Fans zum Einrollen ihrer Flaggen zu bewegen. Das große Thema waren, auch weiterhin, die Flüchtlinge. Die Kanzlerin hatte alle, die sich einen Schlepper leisten konnten, nach Deutschland eingeladen. Sie kamen. Viele über Italien und Spanien, doch die Routen wechselten. Und dann war da die Hitze. Der Sommer war glühend heiß, unterbrochen von Stürmen. Wochenlang. Wie heiß war der Sommer? Flüchtlinge fuhren in den Urlaub zurück nach Hause, nach Afrika, zum Abkühlen. So heiß war es!

Die Umfragewerte der Regierungsparteien waren super, zumindest aus der Perspektive ihrer Gegner, für diese waren die Werte super – die Regierungsparteien selbst fanden die Umfragen eher nicht so toll. Im Herbst standen Landtagswahlen an und im nächsten Jahr dann Europawahlen. Es brauchte Ablenkung, ein Thema, das aufregte, aber schnell wieder abzuräumen war.

Der Hindukusch und du

Aus der CDU hörte man damals, im Sommer 2018, eine neue alte Idee. Man hörte sie zufällig von verschiedenen Leuten gleichzeitig. Sogar die Generalsekretärin »AKK« war »offen« für diese Idee, so hieß es. Diese Idee war, die Wehrpflicht wieder einzuführen; genauer: ihre Aussetzung auszusetzen, oder so ähnlich. Diesmal sollte die Pflicht ein Jahr dauern, und parallel dazu sollte es irgendwas Soziales geben (hat jemand »Flüchtlingshilfe« gesagt?), für alle, die es als doppelt lebensgefährlich ansehen, mit den aktuellen Waffen der Bundeswehr gen Hindukusch zu ziehen, ob man dabei nun Deutschlands Handelswege freihält oder nicht.

Es war ein »Sommerlochthema«, also ein Thema, das allem Anschein nach niemand wirklich ernst meint, das aber in der Sommerzeit gut die Zeilen füllt. Man könnte diskutieren, was es über eine Regierungspartei aussagt, wenn sie eine lebenswichtige Angelegenheit wie die Landesverteidigung als Sommerlochthema verramscht.

Avery Price

Jedes Thema hat Kontext und im Internet-Zeitalter ist der Kontext immer global. Der moderne Mensch, von Abu Dhabi bis Zimbabwe, denkt amerikanisch, und er denkt schon länger so, aber seit dem WWW erst recht.

Vor öffentlichen Veranstaltungen in den USA wird häufig die Nationalhymne gesungen. Wer kann, steht dazu auf. Eine Meldung ging in den Tagen durch die sympathischen Teile der digitalen Welt. Beim Singen des Star Spangled Banner ist in Tennessee ein Junge aufgestanden, allerdings mit allergrößter Mühe, denn er sitzt eigentlich im Rollstuhl aufgrund einer spastischen Paraplegie. Doch, anders als reiche, trump-hassende US-Footballpromis, wollte der 10-jährige Avery Price unbedingt aufstehen, als Zeichen des Respekts. Es ist eine herzzerreißende, wunderschöne Szene, wie sich der Junge mit aller seiner Kraft auf den kranken Füßen hält.

Nur 18% der Deutschen

In Deutschland haben Politiker der Partei, deren Kanzlerin die deutsche Flagge weggeworfen und die Grenzen geöffnet hat, vorgeschlagen, wieder junge Deutsche zu verpflichten, einen Wehrdienst für Deutschland zu leisten (den sie eventuell anders nennen). Zuvor hatte ein Herr Doktor, der nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt worden war, die Wehrpflicht auf Eis gelegt, und dann wurde er es selbst, politisch gesehen. Man schlug vor, die jungen Leute optional zum Dienst an der Waffe zu verpflichten; alternativ könnten sich die Eingezogenen auch als unqualifizierte Hilfskräfte in der Pflege der Armen, Alten und Alleingelassenen verdingen. Es wurde offen kommuniziert, dass es eine erzieherische Maßnahme war. Das junge Volk sollte erzogen werden, das Land doch bitte wieder zu mögen. Man könnte sagen, die Politik sendet widersprüchliche Signale.

Die verschiedenen Parteien reagierten verschieden. Die FDP war dagegen, dass junge Leute dem Arbeitsmarkt entzogen würden – zumindest würde ein Zyniker es so verstehen, aber die FDP formulierte es natürlich korrekt mit Freiheit. Aus der SPD hörte man vereinzelte Begeisterung, dass dann wieder billigstmögliche Arbeitskräfte in der Krankenkassenmedizin zur Verfügung stünden (sinngemäß) – SPD, die Partei, die die Leute klein macht. In der AfD aber, so darf man vermuten, grinste man, wieder einmal, extra breit. (Erklärung: Der Vorschlag führte dazu, dass Menschen darüber nachdachten, ob sie für Deutschland kämpfen wollen würden, und wenn sie darüber nachdachten, dann würden sie fühlen, dass es schön wäre, ein Land zu haben, für das man, wenn es darauf ankommt, zu kämpfen bereit ist. So ein Vorschlag führt dazu, dass Menschen sich nach Patriotismus sehnen, und beim Patriotismus trafen im Jahr 2018 die Bürger in der deutschen Politiklandschaft auf nur wenige Anbieter.)

Eine Studie von Gallup aus dem Jahr 2015 hat ergeben, dass nur 18% der Deutschen bereit wären, für ihr Land zu kämpfen. (Genauer: Dass sie in 2015 solches angaben, als sie gefragt wurden.) In Marokko waren es 94%, in der Türkei immerhin 73%. Ich bewundere die Menschen, die kämpfen würden. Ich verstehe die, die sagen, dass sie es nicht tun würden. Für welches Land soll ein Deutscher heute kämpfen? Für ein Land, das gerade zum Teil eines »Experiments« wird, dessen Politiker es scheinbar lieber heute als morgen auflösen würden, wo Kolumnisten sich regelmäßig rassistisch über Deutsche äußern? Für ein Land, das seine Alten in Armut alte Flaschen sammeln lässt? Es kämpft sich schwer für ein Land, das dir wie Sand zwischen den Fingern zerrinnt. Du darfst fürs Land sterben. Du darfst Hintern fürs Land wischen. Nur sagen, dass es dein Land ist, das lass lieber sein.

Zu Leben

Kampf ist, wenn er schwerwiegende Konsequenzen haben kann, keine leichtzunehmende Angelegenheit! Viele würden sagen, dass Kampf etwas Schmerzhaftes ist! Im Krieg, an der Waffe, reden wir ja nicht von einem abstrakten Kampf, wie bei der Verhandlung bei Gericht. Im Krieg, da fliegen Kugeln und Körperteile. Die Frage danach, wofür man zu kämpfen bereit ist, ist auch die Frage nach einer wichtigen positiven Perspektive: Wofür lebt man? Wo ist Heimat? Für welches Land steht man auf, selbst wenn die Beine einen kaum noch tragen?

Die Ordnung

Dass Menschen nicht kämpfen wollen, das ist wahrlich keine schlechte Eigenschaft! Es ist gut, sich selbst zum Frieden zu erziehen, doch es ist wichtig, zu wissen, wofür man kämpfen würde! Wenn die Bürger ernste Zweifel haben, ob sie, wenn es drauf ankäme, für das Land kämpfen würden, das ihnen Heimat sein sollte – oder ob sie sagen würden »etwas Besseres findet sich allemal« – dann liegt etwas im Argen. Was ist es denn, wonach wir uns sehnen? Ein Land, von dem wir sagen können: Das ist mein Land und meine Heimat, für diese Heimat würde ich kämpfen – wenn es darauf ankäme.

(Ich werde immer auf meine Politiker einwirken, Sie mögen doch bitte lieber für Frieden sorgen!)

Weiterschreiben, Wegner!

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