Dushan-Wegner

06.04.2018

Die weisen Männer und das Goldstück

von Dushan Wegner, Lesezeit 3 Minuten, Bild von Gabriel Garcia Marengo
Es ist wieder Zeit für eine Parabel! – »Der König hatte sich verkleidet und reiste in der Tracht eines Händlers durchs Land.…«
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Der König hatte sich verkleidet und reiste in der Tracht eines Händlers durchs Land. Er kam in ein Dorf, von dem es hieß, dass dort die weisen Männer wohnen.

Auf dem Marktplatz traf der König tatsächlich die berühmten Weisen. Sie saßen zusammen an einem steinernen Tisch, im großzügigen Schatten eines Walnussbaums. Sie hatten graue Bärte und trugen Sandalen, sie diskutierten den Kosmos, die Mathematik und die Götter.

Der als Händler verkleidete König wollte die Weisen ärgern. Er wollte sie auch prüfen, kein Zweifel, aber er wollte sie vor allem ärgern!

»Ihr klugen Herren«, sagte der scheinbare Händler, »hier ist eine Goldmünze! Ich bin ein Freund eurer Weisheit! Diese Goldmünze soll derjenige nehmen, der von euch der Weiseste ist. Wer von euch nun der Allerweiseste ist, das entscheidet ihr selbst untereinander!«

Er legte die Goldmünze auf den Tisch und zog sich zurück.

Die klugen Herrn waren ganz peinlich berührt. Sie schauten weg von der Goldmünze, oder sie streiften das schimmernde Metall nur schnell mit einem Blick, wie man die Sonne nur kurz mit dem Blick streift, oder eine schöne Frau, um sich nicht die Augen zu verbrennen, um nicht aufdringlich zu sein. Natürlich wollte jeder der Weisen das Gold haben, doch war das Gold es wirklich wert, die Prinzipien des weisen Benehmens dafür zu verraten? Die Weisen schauten einander an, sie nickten und machten wichtige Grimassen, und mit ihren Gesten wollten sie sagen: Jetzt sei mal ehrlich, Freund, ich bin doch der weiseste unter uns! Nicht, dass ich solches selbst von mir sagen würde, niemals, dafür bin ich zu bescheiden, aber du, wenn du das Pferd ein Pferd nennst, du wirst doch zugeben müssen, dass ich eben doch der Weiseste bin – und habe ich dir nicht letztens eine Wurst geschenkt, ganz ohne etwas dafür zu verlangen? (Die Redensart lautete ja eigentlich »den Esel einen Esel nennen«, doch in einer so dramatischen Situation wäre es ungeschickt, sich selbst als einen Esel zu bezeichnen, und sei es nur durch eine auf weise Weise hochgezogene Augenbraue.)

Die Weisen wanden sich wie Hunde, die festzustellen suchen, was da plötzlich an ihrem Hinterteil klebt. Sie räusperten sich und taten ganz bescheiden. Unbemerkt von ihnen näherte sich der Dorfsäufer, in gerader Schlangenlinie aus der großen Gaststätte.

Der Dorfsäufer sah natürlich gleich die Goldmünze. Er stolperte an den Steintisch, mitten in die Mitte der Weisen. Er griff nach der Münze und beim dritten Versuch hielt er das Gold auch in der Hand. Er verstaute den Schatz erstaunlich schnell in seiner Jackentasche und ohne weitere Worte torkelte er weiter zum nächsten Etablissement.

Der als Händler verkleidete König hatte alles aus geeigneter Entfernung beobachtet. Er dachte sich seinen Teil. Schmunzelnd setzte er die Reise fort, um weiter heimlich sein eigenes Land zu erkunden. Die Weisen aber waren geradezu erleichtert darüber, dass das Gold wieder vom Tisch war – bloß theoretisches Gold bespricht sich einfacher.

Und die Moral von der Geschicht

Ich als Schreiber habe zwar diese Parabel erarbeitet, ich überlasse aber die Anwendung einfach mal Ihnen! (Und wenn Ihnen Parabeln und Fabeln dieser Art zusagen, zumindest gelegentlich, und Sie zudem Bücher auch als E-Books lesen, darf ich Ihnen Der Fuchs will Frieden ans Herz legen!) – Ich bin gespannt auf Ihre praktischen Übertragungen und werde bei Twitter und Facebook danach Ausschau halten!

Weiterschreiben, Wegner!

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