Dushan-Wegner

28.09.2018

Ist Merkel-Demokratie nur Simulation, wie im Film Matrix?

von Dushan Wegner, Lesezeit 8 Minuten, Bild von Artur Łuczka
Journalist wird aus Erdoğan-Merkel-Pressekonferenz abgeführt. Die Herren, die ihn abführten, sahen aus wie die Agenten in »Matrix«! Was, wenn die Merkel-Demokratie nur eine Simulation ist und die vielen Krisenmeldungen quasi »Störungen in der Matrix«?
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Grüne Buchstaben flackern über den Bildschirm, fallen wie ein Regen in Strömen von oben nach unten über den schwarzen Hintergrund. Wir kennen es aus der Matrix-Filmtrilogie. Viele Philosophen haben sich an der Frage versucht, was real ist und was nicht, ob Platon oder Descartes (es ist alles eine Täuschung) – und  es ist eine bemerkenswerte Leistung der Wachowski-Geschwister, 1999 mit Matrix ein filmisches Werk geschaffen zu haben, das sich in der Behandlung der »Simulationsfrage« in den ganz großen Korpus einreiht.

Die behandelte philosophische Frage lautet: »Woher weiß ich, dass ich nicht in einer Simulation lebe?« – Der Film übernimmt ja beinahe wörtlich das Gehirn-im-Tank-Gedankenexperiment (siehe Wikipedia): Woher weiß ich, dass nicht alles, was um mich her passiert, eine Simulation ist, die man mir vorspielt (warum auch immer), und dass die wahre Realität nicht eine ganz andere ist?

Wer sich aber den Film angeschaut hat, dem prägt sich eine andere Frage, eine Variation der Grundfrage ein! Im Film Matrix passieren immer wieder Störungen in der Matrix (englisch: »glitch in the matrix«). Ein Déjà-vu bedeutet etwa, dass die Simulation gerade neu berechnet wird. Plötzliche Aufhebungen physikalischer Gesetze bedeuten, dass ein Softwaremodul sich nicht an die Regeln der Simulation hält. Wer Matrix gesehen hat, dem kann es passieren, dass er nach draußen geht, unter Menschen oder ins Büro, und bei diesem oder jenem Ereignis für einen Augenblick das Gefühl hat, dass da eine Störung in der Matrix vorliegen muss. (Haben Sie sich bei Ihrem Chef oder einem Kunden nicht auch schon mal gefragt, welcher betrunkene Sadist den programmiert hat?)

Störungen in der Matrix

Ganz Deutschland, ach was, ganz Europa schaut heute nach Berlin, wo Merkel dem deutschen Waffenkunden Erdoğan den roten Teppich ausrollt.

Kleiner Test: Wissen Sie, wer derzeit Wirtschaftsminister ist? Nein? Ich hätte auch fragen können: Wissen Sie, was derzeit Peter Altmaier macht? Der Junggeselle, der vor allem für seine unendliche Hingabe an Angela Merkel bekannt ist, wurde letztens für seine Loyalität belohnt und spielt derzeit den Bundeswirtschaftsminister.

In der Türkei werden Journalisten, die anders als viele Schreiber in Deutschland diesen Titel noch verdienen, verfolgt und verhaftet. Erdoğan hat nie einen Zweifel an seinen Absichten und seinem Verhältnis zur Demokratie gelassen.

Wie kommentiert Bundesminister Altmaier den Besuch des Herrn E.? – So:

Deutschland/Türkei sind Freunde & Verbündete. Wir arbeiten für Freiheit, Glück, Wohlstand & Frieden für 160 Mio Menschen & für ganz Europa. (@peteraltmaier, archive.is)

Zur Einordnung: Amnesty International schreibt im Bericht über die Türkei 2017 im Abschnitt über Meinungsfreiheit:

Die Strafverfolgung von Journalisten und politischen Aktivisten hielt an, und die Strafverfolgung von Menschenrechtsverteidigern nahm drastisch zu. Auch ausländische Journalisten und Medien wurden zur Zielscheibe.

Kritik an der Regierung verschwand 2017 fast völlig aus Radio, Fernsehen und den Printmedien und beschränkte sich hauptsächlich auf internetbasierte Medien. Um Inhalte im Internet zu zensieren, setzte die Regierung weiterhin Verwaltungsanordnungen ein, gegen die es keine wirksamen Rechtsmittel gab. (amnesty.de)

Ist Erdoğan derzeit in Deutschland unterwegs, um deutsche Politiker mit Haltung im Kampf gegen Hate Speech zu beraten? – Spannend sind übrigens auch die Abschnitte über »Folter und andere Misshandlungen« oder Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen.

Die eine Deutung dieser Missverhältnisse wäre natürlich, dass nichts vollkommen ist und wir stets Kompromisse schließen müssen. Merkel schließt einen Kompromiss mit Erdoğan, so etwa, wie der Hase einen Kompromiss mit dem Fuchs schließt, wenn ihm schon längst die Fuchszähne im Nacken stecken.

Wäre die deutsche Demokratie nur die Simulation einer solchen, dann wäre der große Bahnhof für Herrn Erdoğan mehr als nur eine Störung, es wäre ein Totalausfall der Demokratie-Matrix und wir sehen das ganze, wahre Innere.

Übrigens: Die letzte Regierung sagte, sie hätte mit Beginn der Syrienkrise die Waffenlieferungen an die Türkei heruntergefahren. Anfang dieses Jahres kam heraus, dass doch 20 Lieferungen genehmigt wurden. Da darf man auch mal einen Grünen zitieren:

Die Bundesregierung hat die Öffentlichkeit dreist und systematisch belogen. (Omid Nouripour, MdB, Bündnis 90/ Grüne handelsblatt.com, 15.3.2018).

Behalten Sie das im Kopf, wenn Ihnen die Agenten der Matrix, pardon: die ehrenwerten deutschen Regierungspolitiker in den nächsten Tagen erzählen, wie streng sie angeblich mit Erdoğan gesprochen haben.

Vor dem Staatsbankett mit dem Bundespräsidenten gab Merkel eine Pressekonferenz mit dem Waffenkäufer und Journalisteneinsperrer. Im Vorfeld hatte Erdoğan angekündigt, dass er die Pressekonferenz platzen lassen würde, wenn der kritische Journalist Can Dündar teilnehmen würde (dessen Frau in der Türkei festgehalten wird) – er nahm nicht teil (bild.de, 28.9.2018). Die Pressekonferenz fand statt und einen Eklat gab es dennoch. Ein Journalist trug ein T-Shirt, auf dem »Journalisten in der Türkei« stand. Security-Leute, die optisch auffallend an die Agenten in Matrix erinnern (prüfen Sie selbst, ob ich übertreibe, zum Beispiel bei bild.de oder auf YouTube!), rissen ihm die Arme auf den Rücken und führten ihn ab – und es schien ihnen vollständig egal, wie viele Kameras auf sie gerichtet waren. Auf Aufnahmen des Livefeeds (die in der Berichterstattung derzeit oft abgeschnitten werden) sieht man Erdogan lächelnd ein Dankeschön in Richtung der erstaunlich entspannten Merkel nicken, z.B. auf YouTube von Tagesschau.

Ist die Merkel-Demokratie eine Simulation wie die Matrix? Nun, es gibt offensichtlich Störungen an der Oberfläche, und die Agenten, die sie zu beseitigen suchen, sehen den Agenten aus dem Matrix-Filme erstaunlich ähnlich.

Erfolgreiche Märchen

Der Erdoğan-Auftritt ist nicht das einzige Phänomen, das sich wie eine Störung in der Demokratie-Matrix anfühlt. Die »glitches«, die Bugs im Demokratie-Simulations-Programm werden so häufig, dass sie ähnlich wie jene grünen Buchstaben über unsere Bildschirme rasen (immer wieder die Farbe Grün, Zufälle gibt es…).

In Offenbach wurden letztens Einsatzfahrzeuge der Polizei abgebrannt, und ein Bekennerschreiben legt linke Täterschaft nahe (op-online.de, 19.9.2018). Die von Regierung und Journalisten gehätschelte Antifa greift immer häufiger die Organe des Rechtsstaats an, und ein weiteres Mal gilt, was früher eine Woche lang die Schlagzeilen gefüllt hätte, ist heute eine kleine Regionalmeldung. Die Jugendorganisation der im Bundestag vertretenen Die Linke (also der umbenannten SED, die mit den Foltergefängnissen und Schussbefehl an der Mauer, never forget!!) lässt derweil ihre Drohnen brüllen: »Fight the crisis, smash the system, what we need is communism!« (achgut.com, 27.9.2018) – Man hat das Gefühl, die Standard-Strafe für »junge Männer« vor deutschen Gerichten sei die sogenannte »Bewährungsstrafe«, quasi die Luftgitarre unter den Strafen (Bewährung 1, Bewährung 2, Bewährung 3, Bewährung 4, … ) – was zum Kuckuck (ob der Kuckuck nun »simuliert« ist oder »echt«) hat die Matrix mit sich selbst vor?!

Natürlich ist der Film Matrix ein Märchen, doch erfolgreiche Märchen sind erfolgreich, weil unter der uneigentlichen Oberfläche eine äußerst eigentliche Wahrheit ausgesprochen wird.

Vielleicht sind all die Einzelfälle und Ausnahmen, all die Brüche und Widersprüche wirklich nur das; vielleicht kehrt morgen schon alles wieder zur Normalität zurück. Korrigieren Sie mich gern, doch ich habe den Eindruck, dass die Risse mehr werden, nicht weniger – ja, es ist fast, als ob sie gar nicht mehr versuchen würden, zu verdecken, was ein schamvoller Politiker verdecken sollte.

Deutschland wird derzeit von zwei Zombies regiert, politisch und moralisch. Politisch: Die »Große Koalition« ist zerstritten und wird von nichts zusammengehalten als von der berechtigten Angst vor Neuwahlen. Und, moralisch: Die linksgrüne Medienelite hat Deutschland gespalten, auf der einen Seite die linksgrünen Phantasten und gutmeinenden Gutmenschen; und auf der anderen Seite die besorgten Realisten, deren ethisches Empfinden über die Erregung des Tages hinausgeht, und die für ihren Weitblick von den Kurzsichtigen verachtet werden wie einst der Rückkehrer in Platons Höhlengleichnis.

Der Berliner politisch-mediale-Komplex nimmt täglich mehr die Eigenschaften einer Demokratie-Simulation im Stil der Matrix an. Das Unbehagen, das Sie verspüren, ist die Ahnung, dass Ihnen da etwas vorgegaukelt wird.

Risse in der Fassade

Ich bin ein Freund der Denkregel »Hanlon’s Razor«:

Gehe nicht von Böswilligkeit aus, wenn Dummheit als Erklärung genügt. (»Hanlon’s Razor«)

Ohne Zweifel haben verschiedene Leute in Berlin verschiedene Interessen. Dass etwa kirchliche Wohlfahrtskonzerne viel Geld an Flüchtlingen verdienen und mancher Politiker seine Wohnungen für viel Geld an Stadt und Staat vermietet, auch das ist nun mal Tatsache. Doch ist es wirklich das, was durch die Risse sichtbar wird? Ich glaube nicht an die »große Verschwörung«, ich erahne da etwas Anderes.

In den Störungen der Demokratie-Matrix erkennen wir, was die Beulen und Risse in der Fassade verursachte. Sorry, ich sehe nicht »die große Verschwörung«, selbst wenn die Meinungsmaschine von Soros oder EU einem durchaus Angst einflößen kann. Ich sehe keine strippenziehenden »Player« hinter dem Merkelwahnsinn und wenn ich so etwas vermuten würde, dann würde ich sowieso zuerst in Peking oder der arabischen Welt suchen (simple Regel: follow the money), nicht in Brüssel oder den Hamptons.

Die täglichen Nachrichten wirken wie Störungen (»glitches«) in der Demokratie-Matrix; durch die Störungen hindurch aber scheint völlige moralische Entleerung durch. Der Blick durch die Risse in der Fassade deutscher Politik ist nicht so erschreckend, weil da ein großer Strippenzieher wäre (viele kleine sind da, gewiss, aber die gab und gibt es immer). Der Blick hinter die Oberfläche deutscher Demokratie-Matrix ist deshalb so erschreckend, weil dahinter das dunkle, große Nichts ist, das moralische Vakuum, die Abwesenheit aller Werte bis auf den einen: auch morgen noch an der Macht zu sein.

Ich habe immer abgelehnt, allzu sehr über die Gründe zu spekulieren, warum Merkel tut, was sie tut. Ich werde seit Jahren von Lesern gebeten, mich dem tiefer zu widmen, doch ich habe es stets abgelehnt. Vielleicht sollte ich in der Ablehnung einfach Nietzsche zitieren:

Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehn, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein. (Friedrich Nietzsche, Aphorismen)

Woher weiß ich also, dass ich nicht in einer Simulation lebe? Ich weiß es nicht, solange bis nicht Störungen in der Simulation auftreten, und selbst dann weiß ich nicht, ob diese Störungen nicht die gewieften Effekte einer anderen Simulation sind (siehe auch Rick and Morty: Simulation Within a Simulation).

Der erste Grund, warum es heute keine Neuwahlen gibt, ist die Angst vor dem Wahlergebnis. Die Parteien wollen an der Macht bleiben (»regieren« kann man es kaum noch nennen), weil sie wissen, dass sie nicht mehr den Willen der Wähler repräsentieren. Die Angst der Parteien vor Neuwahlen, die scheint nicht simuliert zu sein, die Angst der Parteien vor einer aktualisierten Auszählung des Wählerwillens, diese Angst wirkt auf mich äußerst real.

Weiterschreiben, Wegner!

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