Dushan-Wegner

13.02.2020

Freundlichkeit ist Faschismus – willkommen in der bizarren Gegenteilwelt

von Dushan Wegner, Lesezeit 15 Minuten, Bild von JR Korpa
Ausgerechnet Merkel wirft jemandem vor, Demokratie kaputt machen zu wollen. Die umbenannte SED befindet, dass Freundlichkeit ein Zeichen von Faschismus sei. Willkommen in der bizarren Gegenteilwelt, wo alles sein Gegenteil bedeutet! Woher kenne ich das nur?
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Gestern Morgen, als der Wecker endlich verstummte, zog ich meinen Schlafanzug aus und meine Straßenkleidung an, dann stieg ich ins Bett. Ich spuckte zwei Tassen Kaffee aus, schaltete das Licht an und öffnete die Augen – es war Zeit, endlich einzuschlafen!

Während ich dies schreibe, sieht mein Sohn mir über die Schulter. Er hat mitgelesen und sagte eben: »Häh?!« – Natürlich ist »Häh?!« die richtige Reaktion auf die Beschreibung eines solchen Morgens! Das wäre ja fürwahr bizarr, derartig zu handeln. Ich schicke meinen Sohn für den Moment fort. Ich weiß, was ich noch schreiben werde, und er hat noch Hausaufgaben zu erledigen.

Die Worte, in denen ich meinen Morgen beschreibe, sind bekannt, doch nichts ergibt wirklich einen Sinn – auf Englisch heißt so etwas »Bizarro-World«. – Die Idee der »Bizarro World« stammt aus einem Comic (für Details siehe englischsprachige Wikipedia). Die erste beschriebene Welt von solch bizarrer Natur hieß »Htrae«, also das englische Wort für Erde, »earth«, rückwärts buchstabiert.

Das Mantra von Htrae lautete: »Us do opposite of all Earthly things! Us hate beauty! Us love ugliness! Is big crime to make anything perfect on Bizarro World!« – mein Versuch einer Übertragung ins Deutsche: »Wir alles tun Gegenteil von irdischen Dingen! Wir Schönheit hassen! Wir Hässlichkeit lieben! Es großes Verbrechen ist etwas perfekt zu machen in Bizarro-Welt!« – und vom »großes Verbrechen ist etwas perfekt zu machen« braucht es nicht mehr als eine Schraubendrehung, um beim Jetzt-und-Heute deutscher Tagespolitik anzukommen…

Formal selbst zurückgetreten

Es gibt sie noch, diese Schlagzeilen, da treibt es einen beim Lesen dazu, ganz ohne Bizarro-Welt, den Kaffee wieder auszuspucken.

Letzte Woche noch ließ Merkel mal eben de facto einen gewählten Landes-Regierungschef absetzen (formal ist er selbst zurückgetreten, nach massivem Druck, es war für ihn, so wirkte es, »alternativlos«), und es wirkt wie Missachtung von Grundgesetz Art. 38, von Artikel 53 der Thüringer Landesverfassung, und wie die lässige Inkaufnahme von Schäden am Glauben der Bürger an die Demokratie – und was sind Demokratie und Rechtsstaat wert, wenn die Bürger nicht mehr daran glauben? Man versteht es, wenn der Vize-Chef der Thüringer CDU-Fraktion sich »an tiefste DDR-Zeiten erinnert« fühlt (sueddeutsche.de, 12.2.2020).

Die große Zerstörerin lässt sich aktuell zitieren, dass die AfD »die Demokratie kaputtmachen will« (siehe etwa jungefreiheit.de, 11.2.2020). Wenn man das liest, da kann es einem passieren, dass man den Kaffee ausspuckt und sich mit Straßenkleidung ins Bett legt.

Merkel ist für die Demokratie das, was der Elefant für den Porzellanladen ist, mit dem Unterschied, dass es dem Elefanten wahrscheinlich peinlich ist, was er da anstellt. Merkel ist der Elefant im Porzellanladen, der durch Scherben trampelt und dabei trötet: »Fangt die Maus, die will das Porzellan kaputt machen!«

Der als Kanzlerkandidat selbst für SPD-Verhältnisse geradezu bemerkenswert glücklose EU-Bürokrat Martin Schulz hat im Wahlkampf 2017 in einem Moment frustbedingter Deutlichkeit ein treffendes Wortbild für Merkels Tun gewählt, nämlich dass sie einen »Anschlag auf die Demokratie« betreibe (sueddeutsche.de, 25.6.2017). Das Schräge an dieser Analyse ist einzig, dass sie aus der Partei kommt, welche das Offenhalten der Grenzen und manche andere eigenwillige Interpretation von Recht, Ordnung und Zukunftspolitik mit trug und weiter trägt.

Aktuell finden sich auf der Homepage von Philip Morris International, pmi.com, der Slogan »Delivering a Smoke-Free-Future« (samt Text dazu) oder »Unsmoke Your Mind«, und die Bekenntnisse des größten privatwirtschaftlichen Herstellers von Tabakprodukten der Welt zur rauchfreien Zukunft wirken auf mich bald glaubwürdiger als das Bekenntnis der Ex-FDJ-Sekretärin zur Demokratie.

Wenn Merkel und manche andere Funktionäre des politischen Establishments das Wort »Demokratie« nutzen, sind ihre Worte auf den ersten Blick auffallend referenzfrei. Wenn Merkel oder SPD von Demokratie reden, ergibt mancher Satz erst dann Sinn, wenn man statt »Demokratie« eher »meine Macht« einsetzt. Merkels kindisch formulierte Behauptung über die AfD würde dann in etwa zu: »Merkel: Die AfD will meine Macht kaputtmachen.« – … und das bestreitet nun wirklich niemand.

Tiefer in die Gegenteilwelt

Merkels bizarre Rhetorik, welche anderen als Absicht vorwirft, was sie selbst tut, ist natürlich nicht ohne Vorbild. Merkels einziger über die Jahre als konstant erkennbarer Wert ist ihr Machterhalt, um jeden Preis – was ist ihre moralische Basis, um anderen Ähnliches vozuwerfen? Die CDU-Politiker Elmar Brok und Annette Widmann-Mauz haben Merkel-Kritiker in der eigenen Partei mit einem »Krebsgeschwür« verglichen (siehe jungefreiheit.de, 10.2.2020), und von der üblen, für sogenannte »Gutmenschen« aber typischen NS-Sprache einmal abgesehen weist dieser Vergleich eine weitere bizarr-absurde Eigenschaft auf: Die als »Krebsgeschwür« beleidigte Werte-Union vertritt eben die Werte, für welche Merkel im Jahre 2002 selbst noch zu stehen behauptete (siehe etwa cicero.de, 6.12.2016), Merkel selbst aber ist zu einer klinisch reinen Machtpolitikerin mutiert, deren einziges Ziel es zu sein scheint, ihre Macht buchstäblich unbegrenzt auszuweiten. (Wie es sich wohl praktisch anfühlen könnte, wenn die eigenen »Parteifreunde« einen als »Krebsgeschwür« bezeichnen – und Linksextreme zustimmen – das können Facebook-Nutzer aus dem Abschiedposting des Rechtsanwalts Ralf Höcker erahnen, der alle Ämter in der WerteUnion niederlegt – was er schreibt, klingt mir nach blanker Angst.)

Mit ihrem bizarren Vorwurf, die Opposition beabsichtige de facto das, was Merkel bereits zu tun scheint, und sei deshalb böse, bedient sich die CDU-Kanzlerin einer aktuellen Politik-Mode, vollständig bizarre Dinge zu sagen, sich darauf verlassend, dass karriere-bewusste Journalisten das wie ernstzunehmende Statements und Einordnungen behandeln, statt es in Der-Kaiser-ist-nackt-Manier (siehe dazu den Essay vom 6.9.2018) als das zu entlarven was es ist: Bizarrer Gegenteil-Sprech.

Der Beispiele aus der bizarren Gegenteilwelt sind viele, viel zu viele! Es ist ja fast schon ein »running gag«, also ein Witz der seinen schmerzhaften Humor aus der Wiederholung zieht, wenn man korrekt feststellt, dass Grüne besonders häufig CO2-ausstoßend fliegen oder dass es ausgerechnet selbsternannte »Naturschützer« sind, die Wald abholzen lassen, um hässliche und krankmachende Vogelschredder aus Sondermüll in den Horizont zu stellen (siehe auch »Windkraft ist Gewalt«). Für den Naturschutz (gemeint: Profite von Windkraft-Betreibern) will Altmaier (früher: Merkels Flüchtlingskoordinator, siehe welt.de, 22.2.2016) den Artenschutz lockern (welt.de, 5.10.2019). Aber gut, das ist auch der Mann, der meint, Teile der 1945 gegründeten CDU hätten 1933 für Hitler und das Ermächtigungsgesetz gestimmt (bild.de, 10.2.2020). Es hat seinen Grund, warum Altmaier immer wieder als »Merkels bester Mann« gilt, kaum einer steht für die bizarre Berliner Gegenteil-Welt so prototypisch wie er.

Wir könnten eine lange, lange Liste von Manifestation der bizarren Berliner Gegenteil-Welt aufführen.

Ein Beispiel: Globalistische, postdemokratische Eliten sind sich einig, dass Trump doof ist und Obama total super, und in der bizarren linken Gegenteilwelt ist es kein Widerspruch, wenn genau dieser Obama einen harten Drohnenkrieg gegen Länder mit muslimischer Mehrheit führte (snopes.com, 6.1.2020), Millionen illegaler Einwander deportierte (washingtonpost.com, 17.11.2019), Whistleblower verfolgte (theguardian.com, 16.3.2015), Überwachung ausweitete (nytimes.com, 12.1.2017) – aber der deutsche Staatsfunk und Haltungsjournalisten in Konzernmedien sagen, dass Obama toll war und Trump doof ist, also glauben es die Bürger der bizarren Gegenteilwelt.

Wir könnten die Liste lange fortsetzen! Wir könnten vom Kampf gegen »Hate Speech« reden, wo aus den Gruppen, die ihn führen, der übelste, menschenverachtende Hass kommt, wo Menschen mit »Ratten«, »Abschaum« oder einem »Krebsgeschwür« verglichen werden. Wir könnten von der bizarren Gegenteilwelt reden, wo eine EU sich nicht schämt, sich selbst als moralischen Wert zu postulieren, aber auf den Steuer-Spar-Profi (siehe etwa sueddeutsche.de, 7.1.2014: »Luxemburg-Leaks«) die Dame mit den vielen Beratern und dem gelöschten Handy folgt (welt.de, 14.1.2020). Mir fallen nicht viele Politiker ein, die mir spontan als weniger moralisch geeignet erscheinen, ein so wichtiges Amt zu bekleiden, und von denen die mir einfallen, hatte einer mal mit einem Koffer voller Geld zu tun und ist jetzt Parlamentspräsident, genau er hat aber über den anderen mal, zu recht, gesagt, dass ein »anständiger Politiker« an dessen Stelle zurücktreten müsste (siehe z.B. welt.de, 3.9.2016: »Schäuble hält Rücktritt von Minister Maas für nötig«) – in der bizarren Gegenteilwelt zwischen Berlin und Brüssel scheint es maximal karriereförderlich zu sein, wenn man so wenig wie möglich moralisch für ein Amt in einer moralisch aufgeladenen Institution qualifiziert ist.

Ach, wie lang sich diese Bestandsaufnahme einer bizarren Gegenteilwelt fortsetzen ließe! Wir könnten vom Relotius-Blatt reden, das noch immer nicht das »Sagen, was ist« von seiner Eingangshalle entfernt hat. Wir könnten über Ramelow reden, der nicht sozialistisch genannt werden will, während der erste Satz seines Parteiprogramms sagt, dass seine Partei eine sozialistische ist (@Dieter_Stein, 13.2.2020). Wir könnten über die Heuchelei und Verlogenheit reden, wenn eine Partei, aus der man immer wieder gewisse Sympathie mit den Schlägern der Antifa zu hören meint, zum Gesprächskreis über politische Gewalt einlädt, und alle Parteien einlädt außer der, die es mit großem Abstand am häufigsten trifft, was letztes Jahr sogar im Staatsfunk zugegeben wurde (vorwaerts.de, 11.2.2020, tagesschau.de, 9.1.2010). Wir könnten darüber reden, dass eben jene, die jedem Andersdenkenden an den Kopf werfen, »Nazi«, »Rechts(extrem)« oder aktuell »Faschist« zu sein, nicht nur selbst die Methoden und Denkweisen der echten NS anwenden, sondern auch ganz pikiert und empört reagieren, wenn man ihnen genau diesen Vorwurf auch nur als Andeutung zukommen lässt, frei nach dem neuen Motto: »Es ist nicht Verharmlosung des Dritten Reiches, wenn wir es tun.« – Weiter: Ein CDU-Abgeordneter besteht darauf, Merkel habe nicht eine Wahl rückgängig machen wollen, sondern nur das Ergebnis (@MatthiasHauer, 12.2.2020, fälschlicherweise zitiert er »Vorgang«, gemeint: die Wahl, als »Vorfall«), und ich hoffe, dass diese Unterscheidung in irgendeiner Welt einen wesentlichen und tieferen Sinn ergibt. – Wir könnten und sollten wohl auch von der Grausamkeit der bizarren Berliner Gegenteilwelt reden, wenn von ganz weit oben festgestellt wird, dies sei »Das beste Deutschland, das wir jemals hatten« (merkur.de, 18.1.2017), während arme Rentner nach einem durchgeschufteten Leben berichten, wie es sich von 200 Euro im Monat »lebt« (bild.de, 11.2.2020). 

Ja, diese Liste von Absurditäten aus der bizarren politischen Gegenteilwelt ließe sich seitenweise fortführen, doch ein aktuelles Beispiel ließ mich buchstäblich den Kaffee zur Seite stellen, um lachend und kopfschüttelnd im Zimmer umherzugehen…

In der Markus-Lanz-Sendung vom 12. Februar 2020 wurde die Fraktionsvorsitzende der umbenannten SED im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, vom Moderator Lanz gebeten, Beispiele dafür zu geben, wie die AfD sich »faschistischer« Methoden bediene. Ihre Antwort baute auf zwei Beispiele. Das erste war eine Erzählung, wie es einmal im Aufzug sehr eng war und jemand von der AfD einem ihrer Leute mit dem Gesicht sehr nah gekommen sei – ob jemand im Aufzug ein Paulaner Weizen trank – oder ob sie Anzeige erstattete und ein Gericht es bestätigte, das sagte sie nicht. Das zweite Beispiel, das belegen sollte, dass die AfD der schlimmstmöglichen Beschimpfung würdig ist, sollten wir wörtlich zitieren:

Das andere Beispiel ist, das extreme Gegenbeispiel, aber auch Methode der Nazis: übertriebene Freundlichkeit. Gehen Sie doch mit uns Kaffeetrinken! Sollen wir Sie nicht da- und dorthin mitnehmen und fahren, und so weiter.
(Susanne Hennig-Wellsow, via
zdf.de, inkl. Aufzug-Story ab ca. 33:57)

Man sollte sich das extra entspannt zu Gemüte ziehen: Die Funktionärin der umbenannten Partei von Mauermorden und Foltergefängnissen begründet ihre Behauptung, dass der politische Gegner »faschistisch« sei damit, dass er freundlich sei.

Versuchen Sie bitte nicht, die bizarre Logik linker Gegenteilwelt zu verstehen – es geht nicht. Es ist eine bizarre Gegenteilwelt, in der wenig wirklich bedeutet, was es bedeutet. »Dunkel war’s, der Mond schien helle …« (siehe auch: »Die Kunst des Widerspruchs«)

Newspeak

Hier und jetzt ist nicht das erste Mal, dass ich andeute, in Orwells dystopischem 1984 eine Vorahnung genau unseres Hier-und-Jetzt zu erkennen – und nicht das erste Mal, dass ich mit einstimmen möchte, wenn sie rufen: »1984 war nicht als Anleitung gedacht!«

Im Roman 1984 prägt Orwell den Begriff »Newspeak«, zu Deutsch »Neusprech«. Ingsoc, die in der Welt des Romans herrschende Partei (»Ingsoc« steht für »English Socialism«) bekämpft die Freiheit des Denkens, und dafür muss sie Sprache einschränken und zu ihrem Zwecke formen – so entsteht »Neusprech«.

Ein Merkmal von Neusprech ist, neben der Einschränkung des Sagbaren (vergleiche heutige »politische Korrektheit«), die Neudefinition wichtiger Worte in das Gegenteil der üblichen Bedeutung. Weit über den Kreis der Leser des Buches hinaus kennt man die berühmten Neusprech-Slogans: »Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.«

Heute könnten wir fast ansatzlos formulieren: Gleichförmigkeit ist Diversität. Naturzerstörung ist Naturschutz.  Macht (der etablierten Mächtigen) ist Demokratie. Hass (auf Abweichler) ist Liebe. Liebe (zum Land) ist Hass. Gefühl ist Wahrheit. Wahrheit ist Nazi. Gewalt (von Links) ist Meinung. Meinung (gegen Links) ist Gewalt. Und, wie wir jetzt neu gelernt haben: Freundlichkeit ist Faschismus.

Stroop-Effect

Psychologen testen mit den »Stroop-Effects-Tests« (in meinen Worten) wie schnell Menschen damit klarkommen, in einer »bizarren Welt« zu leben. Die Test-Personen bekommen Blätter mit Wörtern vorgelegt, deren Buchstaben in einer anderen Farbe gedruckt sind, als das, was das Wort bedeutet. »Blau« kann etwa in grüner Farbe gedruckt sein, »Gelb« in roter Farbe, und so fort – oder auch mal passend. Der Versuchsleiter misst, wie schnell und präzise die Testperson die Druckfarbe beziehungsweise die Bedeutung des Wortes erfasst. (Für mehr Infos siehe Wikipedia.)

Heutige politische Debatte fühlt sich wie ein großer Stroop-Effekt-Test an, wenn man als »Guter« akzeptiert werden will. Alles, was gesagt wird, kann etwas anderes bedeuten, als man auf den ersten Blick meint, dass es bedeuten sollte. »Nazi« kann bedeuten, »jemand, der auf demokratischen Wahlen und Rechtsstaat besteht, der Israel mag und gegen Antisemitismus ist.« – »Demokratie« kann bedeuten, nicht zu hinterfragen, was die Herrscherin anordnet. – Als vorläufiger Höhepunkt des bizarren Schauspiels aber… »Faschist« kann bedeuten: »jemand, der freundlich ist«.

Superman!!

Zunächst klingt es wie ein einfach umzusetzendes Konzept, so eine bizarre Gegenteilwelt. Sehr schnell stellt man aber fest, dass es nicht wirklich konsequent zu betreiben ist.

Eine ganze Folge der TV-Comedy-Serie Seinfeld trägt den Titel »The Bizarro Jerry« (deutscher Titel: »Irgendwas stimmt nicht«, Staffel 8, Episode 3), und darin erklärt Superman-Held Jerry Seinfeld:

Jerry: Wie Bizarro-Superman. Das genaue Gegenteil von Superman, der in der umgekehrten Bizarro-Welt lebt. Oben ist Unten. Unten ist Oben. Er sagt »Hallo« wenn er geht, »Schönen Tag noch«, wenn er ankommt.
Elaine: (denkt nach) Sollte er nicht »Schlechten Tag noch« sagen, wenn er ankommt? Ist das nicht das Gegenteil von »Schönen Tag noch«?
Jerry: Nein, es heißt noch immer »Schönen Tag noch«.
(Seinfeld: The Bizarro Jerry; meine freie und ans Deutsche angepasste Übertragung)

Die bizarre Gegenteilwelt linker Realität hat ähnliche logische Probleme wie Seinfelds Bizarro-Superman. Ein Beispiel: Linksgrüne bestehen darauf, dass es unzählige »Gender« gibt, doch sie bestehen ebenso eisern darauf, dass lukrative Posten mit oft wenig Arbeit (also: Aufsichtsräte, Partei-Ämter, aber nicht: Feuerwehr, Soldaten, Müllabfuhr) via Quote streng dual 1:1 nach Mann und Frau verteilt werden. Sie bestehen darauf, dass Grenzen »nazi« sind, bauen sich aber hohe Mauern und Schutzwälle um sich selbst (siehe auch »Angst für die Bürger, Burggraben für die Elite«). Auch in der Bizarro-Welt gelten Regeln, und diese Regeln mögen meist darin münden, dass bestimmte Kreise daran verdienen und die »kleinen Leute« dafür zahlen, mit ihrem Geld, ihrer Freiheit und manchmal mit ihrem Leben, doch die Regeln sind weder logisch noch ein für allemal fixiert – ja, sie gelten nicht einmal für alle, vergleiche die vielen Fälle, wo »die Guten« sich tatsächlich alter NS-Sprache und Methoden bedienen, doch damit durchkommen, da sie ja »die Guten« sind.

Die bizarre politische Gegenteilwelt wird immer ein Spiel bleiben, mit immerzu wechselnden Regeln, und wer die Regeln des Tages übersieht, der hat eben verloren, der gilt als »Faschist« und fliegt raus.

Leben in zwei Wahrheiten

Seit jeher schon besprach man einige Dinge daheim, aber nicht draußen; das können gesundheitliche Angelegenheiten sein oder eine Sorge um die Kinder. Gewisse Dinge traute man sich schon immer nicht einmal sich selbst einzugestehen. Diese Fälle hatten aber meist gemeinsam, dass man draußen weniger sagte als in den eigenen vier Wänden, nicht dass man draußen in wichtigen Dingen etwas anderes sagte als daheim. (Wir reden hier nicht von höflichen Halbwahrheiten, wie wenn man »Wie geht es dir?« gefragt wird, und »alles wunderbar« antwortet, wir reden vom Versuch, linke Lügen wie Wahrheit zu behandeln.)

Was aber »wieder da« ist, und was kein Zeichen einer gesunden Demokratie ist, das ist das Auseinandergehen öffentlicher, offizieller Wahrheit und der echten Wahrheit, die man nur im Privaten bespricht.

Wer aus dem Haus geht, der zieht nicht nur Straßenschuhe und eine Jacke an, der zieht sich heute auch eine alternative, linke Wahrheit über. Das Zwei-Wahrheiten-Leben entfremdet den Bürger von seinem Land, und doch ist diese Entfremdung nicht das einzige große, unglücklich machende Problem! Es gibt ein weiteres, und das ist für die Betroffenen nicht selten weit größer. Im Text »Hast du deinem Verräter die Windeln gewechselt?« beschreibe ich den Fall einer Familie, die daran zerbricht, dass der wie von Propaganda gehirngewaschen agierende Sohn sich gegen seinen Vater wendet. In dem Fall schrieb der Sohn sogar einen öffentlichen Zeitungs-Text, in dem er seinen Vater beschimpfte. Aus vielen Familien wird seit Jahren berichtet, wie von Schulen und Staatsfunk manipulierte Kinder ihre Eltern angehen, oder sogar in der Schule petzen, wenn die Eltern sich daheim kritisch oder zweifelnd über die »offizielle Wahrheit« geäußert haben. Das Leben in zwei Wahrheiten, der offiziellen bizarren Gegenteilwahrheit, und der realen Wahrheit, macht Menschen müde, entfremdet sie von der Gesellschaft und zerreißt die Familien.

Wieder heraus zu klettern

Es ist nicht zu erwarten, dass die aktuelle Phase der bizarren Gegenteilwelt allzu lange anhält – doch das ist wenig tröstend, denn in den geduldigen Augen der Geschichte wären auch »weitere 10 Jahre« kaum ein Wimpernschlag.

In einen Brunnen zu fallen geht bekanntlich viel schneller als hinaus zu klettern – dieser Brunnen gleicht dem Kaninchenbau, durch den Alice im Wunderland ankommt, und Deutschland fällt schon seit einigen Jahrzehnten hinein. Diese Merkel-Jahre sind gewissermaßen der dröhnende Aufschlag auf dem Boden der bizarren Gegenteil-Realität.

Aus dem Brunnen oder einem anderen Loch in der Erde wieder heraus zu klettern, das braucht meist weit mehr Mühe als hinein und hinab zu gelangen.

Filmfans kennen die Flucht Batmans aus »The Pit«, einem Gefängnis tief in der Erde. In »The Dark Knight Rises« versucht Bruce Wayne, aus dem tiefen Gefängnis zu fliehen, indem er an der Wand des Lochs hochsteigt. Versuch um Versuch misslingt. Erst als Bruce Wayne das ihn sichernde Seil ablegt und ohne Sicherung hinauf klettert und springt, gelingt ihm die Flucht. (Nebenbei: Die aus CDU-Kreisen mit einem »Krebgeschwür« verglichene »WerteUnion« erinnert mich ein wenig an Bruce Wayne, bevor er die Sicherung ablegt.) Als er oben ankommt – und erst dann! – wirft Bruce Wayne den übrigen Gefangenen ein Seil zu, an dem sie sich hochziehen können.

Ich kann recht genau sagen, wann ich selbst das »Seil abgelegt« habe, wann ich mir dessen bewusst wurde, dass ich nicht »geliebt werden« will, sondern dass ich sagen will, was ich für wahr und richtig halte, dass für mich Gesetze und Gewissen gelten, aber nicht die bizarren Regeln und Lügen der linken Gegenteilwelt. Es war am 20.12.2016, dem Tag nach dem Breitscheidplatz-Attentat, und ich habe es damals im Text »Ich habe keine Angst mehr« in Worte gefasst.

Wir sind noch immer damit beschäftigt, aus dem Loch zu klettern, während Merkel, Staatsfunk und mancher Helfer uns weiter hinab ziehen und das Loch tiefer buddeln.

Ich will weiter klettern, nach Gesetzen und Gewissen, mit meinen Lesern an der Seite, doch ohne Seil, ohne die Handschellen der Sucht nach »Liebe von oben«. – Seid frei! Redet frei und denkt frei! – Und, gerade heute, verbiegt euch keine Sekunde lang, zu glauben, dass deren bizarre Gegenteilwelt die Realität sei.

Weiterschreiben, Wegner!

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