Dushan-Wegner

22.11.2017

Der Antichrist (Update)

von Dushan Wegner, Lesezeit 4 Minuten, Bild: Auguste Renoir, »Les Grandes Baigneuses« (zw. 1884 und 1887)
Wenn wir die Bibel als eine Botschaft der Freiheit lesen, müssen wir auch fragen, was »Antichrist« heute bedeutet.
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In diesen Tagen zieht es mein Denken wieder und wieder zu den Samuel-Büchern der Bibel, besonders zum ersten. – Die beiden Bücher Samuel (die in der hebräischen Bibel übrigens ein einziges Buch sind) erzählen die Geschichte des Propheten Samuel, die Geschichte des Königs Saul und schließlich die Geschichte Davids – ja, gemeint ist genau der David, der mit der Schleuder gegen Goliath kämpfte und viele schöne Psalmen schrieb.

Im achten Kapitel finden wir einen bestimmten Vers, welchen man schon mal überliest, der aber bei näherer Betrachtung eine gewisse Sprengkraft birgt:

»Der HERR aber sprach zu Samuel: Gehorche der Stimme des Volks in allem, was sie zu dir sagen; denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, dass ich nicht mehr König über sie sein soll.«
1. Samuel 8:7

Gott sagt de facto zu seinem Volk: »Macht ihr mal! Wer nicht will der hat schon.« – Was war passiert?

Der Prophet Samuel, ein charismatischer Anführer, hatte seine Autorität verloren und man begehrte nach einem König. Man hatte genug vom göttlichen Gesetz, man wollte einen »menschlichen« Chef.

Erich Fromm stellt in seinem Buch Ihr werdet sein wie Gott eine sehr interessante gedankliche Verbindung zu dieser Stelle her:

»Der Grundsatz, dass der Mensch nicht der Sklave des Menschen sein soll, ist im Talmud in dem von Rab formulierten Gesetz deutlich ausgesprochen, wenn dieser sagt: »Ein Arbeiter hat das Recht, auch mitten am Tag wegzugehen« (die Arbeit niederzulegen, d.h. zu streiken). […] Hier wird das Recht des Arbeiters, ohne Vorankündigung zu streiken, mit dem allgemeinen Prinzip der menschlichen Freiheit begründet, welches darauf beruht, dass der Mensch allein Gott – und also nicht auch dem Menschen – Gehorsam schuldet.
Erich Fromm: Ihr werdet sein wie Gott

Der Mensch soll frei sein. Er soll niemandem gehorchen müssen außer seinem Gewissen (beziehungsweise Gott, wenn man gläubig ist). Selbstverständlich sind in einer funktionierenden Gesellschaft auch Regeln notwendig, deren Übertretung von derselben Gesellschaft bestraft wird. Regeln wie Steuern mögen an sich dem Geist der Freiheit widersprechen, doch ohne sie kann die Freiheit nicht gegen ihre Feinde verteidigt werden – deshalb »gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist«.

Der natürliche Drang des Menschen muss es sein, sich aus der Fremdherrschaft zu befreien. In der Lesart von Erich Fromm und der von ihm zitierten Gelehrten ist der Geist des Alten Testaments zuerst liberal. (Es ist nur konsequent, dass das Alte Testament zum guten Teil aus Klagen über den Ungehorsam des Volkes Israel besteht! Ungehorsam und Liberalismus sind zwei Beine derselben Hose.)

Siehe, da ist er!

Wenn die Botschaft der Bibel, sowohl des sogenannten »Alten Testaments« als auch der von Christen angefügten Ergänzung, die Freiheit des Menschen erzählt, was wäre logischerweise die Botschaft des Anti-Christen?

Betrachten wir etwa diese Erläuterung beim konzisesten der Synoptiker:

»Wenn dann jemand zu euch sagen wird: Siehe, hier ist der Christus; siehe, da ist er!, so glaubt es nicht. Denn es werden sich erheben falsche Christusse und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, die Auserwählten zu verführen.«
– Markus 13:21-22

Man könnte, ob als Christ oder Atheist, diese Stelle im Geist eines kleinsten gemeinsamen hermeneutischen Nenners so deuten: Der »Anti-Christ« ist einer, der sich zwischen den Menschen und Gott (bzw.: das Gewissen) schiebt.

Nun frage ich Sie:

  • Gibt es eine Partei, die es sich zum Auftrag gemacht hat, den Menschen hinsichtlich seines Gewissens zu entmündigen?
  • Gibt es eine Partei, die es sich anmaßt, »für das Land zu denken«?
  • Gibt es eine Partei, die sich immer neue Gesetze ausdenkt, welche dem Menschen die Freiheit nehmen, dem eigenen Gewissen zu gehorchen?

Wenn Sie mir darin folgen, dass »Antichrist« heute interpretiert werden kann als einer, der sich zwischen den Bürger und sein Gewissen schiebt, und ihm so die Gewissensfreiheit raubt, dann können Sie mir auch darin folgen, dass die Grünen auffällige Ähnlichkeiten mit einem modernen Antichristen aufweisen. Ich sage nicht, dass sie es sind – ich stelle nur sachlich fest, dass sie im Verhalten einige Ähnlichkeiten aufweisen. – Falls der Scheiterhaufen schon brennt, können Sie sich ja ein paar Sojawürstchen warmmachen, ich aber mag noch nicht hinaufsteigen.

Kaumheimliche Freude

Ich muss gestehen, mit gewissem Vergnügen den Schaum vorm Mund der diversen Grünen und ihrer Sympathisanten zu erleben, wenn sich einer erdreistet, ihrem mit erstaunlich wenig Stimmen begründeten absoluten Machtanspruch zu widersprechen – sei es die schäumende (und auf Unwahrheiten basierende) Wut des Alt-Kommunisten Jürgen Trittin oder die nicht minder schäumende Entrüstung eines Heribert Prantl, darüber dass es jemand wagt, sich der Unterwerfung unter die Grüne Lehre zu entziehen.

Ja, sie mögen schäumen und wüten, diese entlarvten Möchtegernherrscher über unser Gewissen, unsere Kindergärten und Bankkonten. Doch ich kann es gut ertragen. Ich erfreue mich an einem Psalm Davids:

»Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.«
Psalm 23:1

Vielleicht wird es ja doch noch gut werden. Der Mensch ist zur Freiheit geboren. Die Freiheit wird sich wieder und wieder durchsetzen.

Weiterschreiben, Wegner!

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